Interview mit Jörg Urban – Landesvorsitzender und Fraktionsvorsitzender der AfD in Sachsen

Sachsen ist eines der beiden Deutschen Bundesländer die an Tschechien grenzen.

Jörg Urban ist Landesvorsitzender der AfD Sachsen und Fraktionschef im Landtag, zusätzlich Nebenerwerbs-Landwirt und tief in der Region verwurzelt. Gerade Menschen auf dem Land wie er erleben täglich die Auswirkungen politischer Entscheidungen – sei es in der Landwirtschaft, bei Energiepreisen oder im grenzüberschreitenden Alltag.

In diesem Gespräch möchten wir mit Ihnen über Sachsens Rolle in Europa sprechen – insbesondere im Verhältnis zu unserem Nachbarland Tschechien – und darüber, welche Veränderungen Ihre Partei als künftige Regierungspartei auf Landesebene anstoßen würde.

 

Herr Urban, Sachsen und Tschechien verbindet eine lange gemeinsame Geschichte und eine intensive Nachbarschaft. Welche Vision haben Sie für diese grenzüberschreitende Beziehung, wenn die AfD in Regierungsverantwortung kommt?

Jörg Urban:

Gerade im Dreiländereck zwischen Deutschland, Polen und Tschechien bestehen enge Verbindungen. Es wurden viele grenzüberschreitende Familien gegründet, gemeinsame Feste werden veranstaltet, Tourismus und Wirtschaft arbeiten eng zusammen und es sind zahlreiche Freundschaften entstanden. Das gilt es zu bewahren und auszubauen.

Zugleich wünsche ich mir einen starken Föderalismus. In jeder Region sollten die Bürger die Möglichkeit einer echten Mitbestimmung haben. Das heißt: Die Sachsen können sich an Tschechien, z.B. bei der Digitalisierung, gern ein Vorbild nehmen. Was ich jedoch nicht möchte, ist, dass die Europäische Union aus Brüssel heraus vorschreibt, was Sachsen und Tschechien an gemeinsamen Projekten verwirklichen sollen.

Die AfD steht für ein Europa der Vaterländer, denn nur in einem Europa der Vaterländer können die Bürger mitbestimmen und eigene, vielfältige Wege einschlagen.

 

Als Landwirt kennen Sie die Herausforderungen des ländlichen Raums aus erster Hand. Welche Rolle spielen die grenznahen Regionen Sachsens für Sie – auch im Austausch mit Tschechien, etwa in der Landwirtschaft, Vermarktung regionaler Produkte oder beim Wissenstransfer? Wie wirkt sich die Förderung der sogenannten Erneuerbaren Energien auf die Landwirtschaft aus, da diese ja sehr flächenintensiv sind. Können Landwirte unter diesen bedingungen in Sachsen überleben und die Ernährung der Bevölkerung sichertstellen?

Jörg Urban:

Nach meinem persönlichen Empfinden funktioniert die grenzüberschreitende Vermarktung regionaler Produkte bereits recht gut. Die Kennzeichnung heimischer Produkte bleibt trotzdem eine große Herausforderung und muss weiter verbessert werden. Es gibt zahlreiche Umfragen, die nahelegen, dass es den Bürgern wichtiger ist, regional zu essen, statt unbedingt ein Lebensmittel mit dem Aufdruck „bio“ zu erhalten.

Ihre Frage zu den Erneuerbaren Energien zeigt, dass es dennoch nicht gut um unsere Landwirtschaft steht. Unter normalen Umständen würden sich unsere Bauern darauf konzentrieren, gute Lebensmittel herzustellen und sie könnten damit gutes Geld verdienen. Sie kämen im Normalfall überhaupt nicht auf die Idee, auf ihre Felder Solaranlagen und Windräder zu stellen. Durch die gigantischen Subventionen für Solaranlagen und Windräder scheint es jedoch lukrativ zu sein, den Wünschen der Regierung nachzugeben.

Letztendlich führt aber genau das zu ständig steigenden Strompreisen, weil die Subventionen vom Steuerzahler zu begleichen sind. Hinzu kommt: Ohne Reserve-Kraftwerke kommen die „Erneuerbaren“ nicht aus. Sie liefern ständig entweder zu viel oder zu wenig Strom. Dadurch sind sie extrem teuer und für Industrienationen ungeeignet.

 

In Ihrer politischen Arbeit betonen Sie die Bedeutung von Sicherheit und Ordnung. Wie könnte aus Sicht der AfD eine verlässliche, partnerschaftliche Grenzpolitik mit Tschechien aussehen – zum Beispiel durch stärkere Zusammenarbeit der Polizei oder durch nationale Schutzmaßnahmen? – Insbesondere unter dem Aspekt illegale Migration.

Jörg Urban:

Deutschland und Tschechien brauchen Grenzkontrollen, um die illegale Masseneinwanderung zu beenden und die Kriminalität zurückzudrängen. Solche Kontrollen lassen sich aber auch ohne kilometerlange Staus klug organisieren.

Ich bin darüber hinaus sicher: Zehn Minuten länger an der Grenze nehmen Bürger und Unternehmen gern in Kauf, wenn sie dadurch in Sicherheit und Wohlstand leben können. Nicht vergessen dürfen wir schließlich, wie viele Milliarden die Beanspruchung unserer Sozialstaaten durch die illegale Masseneinwanderung kostet.

 

Viele Handwerksbetriebe und kleine Unternehmen wünschen sich bessere Rahmenbedingungen für Kooperationen mit tschechischen Partnern. Welche konkreten Vorschläge hat die AfD zur Entlastung des Mittelstands – auch im internationalen Wettbewerb?

Jörg Urban:

Wir schlagen seit vielen Jahren gerade für den grenznahen Raum die Einrichtung von einer oder mehreren Sonderwirtschaftsregionen vor. In diesen Regionen sollte es niedrigere Steuern, weniger Bürokratie und einen besonderen Fokus auf den Ausbau der Infrastruktur geben. Weltweit und auch in Europa gibt es viele solcher Sonderwirtschaftsregionen.

Das übliche Gegenargument, eine Sonderwirtschaftsregion verstoße gegen EU-Recht, kann ich daher überhaupt nicht nachvollziehen.

Generell glaube ich, dass sich sowohl unsere deutschen als auch die tschechischen Unternehmen am meisten über mehr unternehmerische Freiheit freuen würden. Dafür setzt sich die AfD ein, während selbst die CDU zur Klimaplanwirtschaft übergegangen ist.

 

Sie sprechen oft davon, dass Politik wieder näher an die Bürger rücken muss. Welche Form von kommunaler und regionaler Zusammenarbeit über die Grenze hinweg würde die AfD besonders fördern – gerade in strukturschwachen Regionen? Soll mehr direkte Demokratie, wie von der AfD gefordert auch Stadt/Gemeinde-, Kreis- und Landesebene verwirklicht werden? 

Jörg Urban:

Zunächst: Ja, ich wünsche mir auf jeden Fall mehr direkte Demokratie auf allen Ebenen. Wenn sich dann Gemeinden grenzüberschreitend bei bestimmten Projekten zusammentun, ist das nur zu begrüßen. Derartig förderbare Projekte existieren übrigens schon.

Wo ich mir eine viel bessere Zusammenarbeit wünsche, ist der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV). Ein Beispiel dazu: Es gibt Wanderer und Fahrradfahrer, die im Zittauer Gebirge starten, um danach den Tannenberg (Jedlova) zu besteigen und schließlich durch die Böhmische und Sächsische Schweiz zu wandern oder zu fahren.

Nun die entscheidende Frage: Was glauben Sie, wie lange es dauert, mit dem ÖPNV von Bad Schandau wieder zurück ins Zittauer Gebirge zu kommen? Es sind ca. dreieinhalb Stunden. Die gesamte Tourismus-Region der Sächsischen und Böhmischen Schweiz bis hin zum Zittauer Gebirge und Dreiländereck könnte also enorm profitieren von einer besseren Verzahnung von Bus und Bahn. Und wenn das geschehen ist, ließe sich diese gemeinsame Region natürlich auch international besser vermarkten.

 

Der Freistaat Sachsen hat wie der Freistaat Bayern als eines der beiden Nachbarländer zu Tschechien ein Verbindungsbüro in Prag. Ist dieses erfolgreich oder noch verbesserungswürdig?

Jörg Urban:

Es ist richtig, Verbindungsbüros zu haben, aber teilweise agieren mir diese Büros zu akademisch und lebensfern. Ich würde mir eine Öffnung der Büros für einen breiteren Personenkreis wünschen.

 

Verkehrsanbindung ist ein Schlüsselthema für Grenzregionen. Welche Infrastrukturprojekte – etwa im Schienenverkehr oder bei Landstraßen – würden Sie als Ministerpräsident priorisieren, um Sachsen und Tschechien besser zu verbinden?

Jörg Urban:

Die Wiederbelebung alter Strecken, z.B. nach Rumburk, sollte gründlich geprüft werden. Zudem setzen wir uns dafür ein, den Erzgebirgstunnel für die Verbindung Dresden-Prag schnell zu bauen. Seit 1994 ist das bekanntlich in Planung. Wir setzen uns dafür ein, bereits vor 2030 mit den Bauarbeiten zu beginnen.

Beim Autobahnnetz und den Schnellstraßen habe ich persönlich den Eindruck, dass Tschechien seine Hausaufgaben besser gemacht hat als Deutschland. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an die B 178n, an der seit über 20 Jahren gearbeitet wird.

Auch hätten wir nichts gegen eine Autobahn A 74, die einmal von Chemnitz nach Prag angedacht war. Auf tschechischer Seite wurde dieses Projekt ernst genommen. Auf deutscher Seite sind leider nur wenige Kilometer einer vierspurigen Straße entstanden, obwohl zwischen Chemnitz und Reitzenhain die meisten Lkw in ganz Sachsen – bezogen auf Landstraßen – unterwegs sind.

 

Im Umwelt- und Naturschutz gibt es grenzübergreifende Initiativen, etwa im Elbsandsteingebirge. Wie lassen sich Ihrer Meinung nach der Schutz unserer Heimatnatur und die Interessen der Land- und Forstwirtschaft in Einklang bringen?

Jörg Urban:

Das sind keine Gegensätze. Jeder regional verwurzelte Land- und Forstwirt handelt im besten Sinne des Wortes nachhaltig, weil er auch in 20 Jahren noch von seiner Arbeit leben will. Wir lehnen deshalb die Regulierungswut der Europäischen Union ab.

Der kulturelle Austausch mit Tschechien bietet viele Chancen, wird aber oft zu wenig genutzt. Wie möchte die AfD Sachsen dazu beitragen, dass junge Menschen beider Länder sich näherkommen – sei es durch gemeinsame Schulprojekte, Sprachförderung oder Jugendaustausch?

Jörg Urban: 

Gerade in ländlich geprägten Regionen wie dem Dreiländereck kann ich es mir gut vorstellen, dass sächsische und tschechische Schüler gemeinsam in einer Schwimmhalle oder einem Freibad Schwimmunterricht erhalten, um mal ein lebensnahes, konkretes Beispiel zu skizzieren.

Generell halte ich nicht viel davon, wenn angebliche Kultur in bürokratischen Verwaltungsstrukturen vorausgeplant wird. Kultur muss lebendig sein und aus Eigeninitiative entstehen. Sie kann nicht von oben herab verordnet werden. Genau aus diesem Grund werden viele – bürokratisch geplanten – Projekte nicht genutzt. Sie sind leider Kopfgeburten von Bürokraten – ohne auf die konkrete Nachfrage zu achten.

Viele Bürger empfinden, dass Entscheidungen in Berlin oder Brüssel an den Realitäten vor Ort vorbeigehen – gerade in Grenzregionen. Welche Veränderungen streben Sie auf Landesebene an, damit Sachsen wieder mit mehr Selbstbewusstsein eigene Akzente setzen kann – auch im Kontakt mit Tschechien?

Jörg Urban:

Ich kann mich da nur wiederholen: Mehr direkte Demokratie wagen! Mehr Föderalismus! Weniger bürokratische Vorgaben von oben!

Herr Urban, als jemand, der sich sowohl politisch als auch landwirtschaftlich engagiert, haben Sie einen besonderen Blick auf die Menschen im Land. Wenn die AfD Regierungsverantwortung übernimmt: Was wäre Ihre erste Maßnahme, um den Menschen in Sachsen – und speziell in der Grenzregion – das Gefühl zu geben, dass sich Politik wieder um ihre Anliegen kümmert?

Jörg Urban:

Die wohl wichtigste Aufgabe des Staates ist es, für Sicherheit zu sorgen. Das werden wir machen. Und dann – auch wenn das jetzt schon die zweite Aufgabe ist – werden wir eine Aufgabenkritik durchführen: Wo muss der Staat eingreifen? Wo sollte er sich besser heraushalten? Das Ergebnis dieser Maßnahme wird ein erheblicher Gewinn von Freiheit für unsere Bürger sein. Wir werden die Zeit der staatlichen Gängelung beenden! Sehr geehrter

Herr Urban, wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg.

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