- Hans Weber
- October 14, 2024
Als ob sie nie existiert hätte – die Wallburg von Zvole
Es ist, als ob die frühzeitlichen Erbauer schon damals vorgehabt hätten, einen Aussichtpunkt für Ausflüger anzulegen. Die Burgwallanlage bei Zvole u Prahy, die Hradiště Zvolská homole, liegt in schwindelerregender Höhe auf einer Felszunge hoch über der Moldau und bietet einen atemberaubenden Panoramablick über den sich unten schlängelnden Fluss und die herrliche umgebende Landschaft.
Am besten ersteigt man die Anlage von dem kleinen Ort Vrané an der Moldau, der rund 18 Kilometer von Prags Stadtmitte gelegen, günstig mit einem kleinen Regionalzug, der entlang des Flusses fährt, erreichbar ist. Von da aus kann man durch das Wald-Naturschutzgebiet Zvolská homole den Bergzug hinaufsteigen. Nach rund 2 Kilometern entlang eines steilen Lehrpfades, der über die Natur hier aufklärt, erreicht man die Wallgraben-Anlage (Bild links), die durch eine schmale Felszunge, auf der die Burg lag, vor Eindringlingen geschützt wurde. Es wird dem Betrachter sofort klar, dass nicht die schöen Aussicht ausschlaggebend für die Wahl des Ortes, sondern die strategische Uneinnehmbarkeit des Terrains. Der schmale Eingang war recht leicht zu verteidigen, die Abhänge an den Seiten (mit teilweise senkrechten Felsen) boten natürlichen Schutz vor Angreifern. Aber, ob hier jemals irgendwer irgendwen angegriffen hat oder irgendwer sich verteidigen musste, und wer das war, weiß man nicht.
Denn: Obwohl die Anlage ja eine auffällig Landmarke ist, weiß man so gut wie gar nichts darüber. 2004 unternahmen zum ersten Mal Archäologen in kleinem Umfang Ausgrabungen. Sie förderten (spärliche) Fundstücke aus Spätneolithkum, Äneolithikum (Kupfersteinzeit) und Bronzezeit zu Tage. Also schon um das Jahr 3500 v. Chr. könnten hier Menschen gesiedelt haben. In der Nähe hat man sogar Funde aus der Jungsteinzeit (rund 2000 Jahre älter!) gefunden. Es handelt sich hier um einen alten Siedlungsraum.Ein besonderes Rätsel ergibt sich daraus, dass oberhalb der Wallanlage eine Aufschüttung mit einem gut sichtbaren Wall (Bild rechts) in ungefähr quadratischer Form existiert, der nicht in die Vorzeit passt, sondern eher einem (slawischen) Bergfried aus den Frühmittelalter ähnelt, der vermutlich mit einem Holzturm versehen war.
Man könnte erwarten, dass deshalb die Burganlage in irgendeiner alten Chronik oder einer örtlichen Urkunde erwähnt wurde, wie das in Böhmen meist der Fall war. Aber nichts dergleichen ist der Fall, obwohl die Wälle (Bild links) so stattlich waren, dass sie stets deutlich sichtbar blieben. Es kann nicht sein, dass sie niemandem auffielen. Dennoch hat sich kein mittelalterlicher Schreiber die Mühe gemacht, etwas über die Burg festzuhalten. Als ob sie nie existiert hätte. Das tut sie aber, und deswegen wird es die Aufgabe künftiger Archäologen sein, noch systematischere Ausgrabungen durchzuführen, um mehr Licht in das Dunkel der Siedlungsgeschichte hier zu bringen. Aber auch ohne dieses Wissen garantiert die Lage mit ihrer grandiosen Aussicht ein schönes Ausflugserlebnis. (DD)
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