Archäologische Fundgrube

Wie üblich bei vorgeschichtlichen Festungsanlagen, erahnt der Spaziergänger, der den bewaldeten Hügel hinauf steigt, nur wenig davon, welch eine archäologisch sensationelle Fundgrube sich hinter den wenigen sichtbaren Resten der Wallburg von Minice befindet.

Sie liegt etwas außerhalb des Dorfes Minice, das seit 1960 ein Teil der nur wenige Kilometer nördlich von Prag an der Moldau gelegenen Stadt Kralupy nad Vltavou ist. Man erreicht sie bei einem schönen Spazierweg entlang des Baches unten im Tal, dem Holubický potok, von dem dann ein steiler Trampelpfad aufwärts führt. Schon nach wenigen Metern sieht man die äußerste Wallbegrenzung (Bild links). Die schon lange irgendwie bekannten Wälle erforschte im Jahre 1935 erstmals der Archäologe des Stadtmuseums von Kralupy, Prokop Filip Masner, der das Ganze vermaß, kartographierte und feststellte, dass die Festung bereits aus der vorgeschichtlichen Zeit des 1. Jahrtausends vor Christi stammte – also deutlich älter war als die meisten anderen Wallanlagen der Umgebung, die keltischen oder slawischen Ursprungs sind.

Und groß war sie: 40×40 Meter maß die innere Akropole (deren Umwallung man im großen Bild oben sieht), an die eine ein Hektar große Wallburg grenzte (die zum Teil schroffe Felsen in den Wall integrierte), vor der sich wiederum ein zwei Hektar großer Vorhof befand. Noch nicht ganz sichergestellt ist, ob östlich davon eine kleinere Festung existierte, aber es schloss sich auf jeden Fall dort weitere Siedlung mit Wall an. Weiter unten hat man noch Reste eines teilweise noch sichtbaren Grabens von 60 Meter Länge und sechs Meter Breite gefunden. In den 1970er und 1980er Jahren leitete Miloslav Slabina, ein Archäologe des Nationalmuseums, eine tiefergehende Untersuchung, die ein klareres und vor allem imposanteres Bild von der Anlage ergab. Der Großteil der Anlage wurde demnach in der Hallstattzeit (frühe Eisenzeit) erbaut und nur rund 70 Jahre bewohnt (anscheinend endete die Besiedlung mit einem Feuer). Lediglich die östlich angrenzenden Siedlung schien noch in der Latènezeit besiedelt zu sein.

Das wirft bis heute Fragen auf, welchen Zweck die Anlage hatte. War sie eine dauerhafte geplante Siedlung oder vielleicht ein kultisches Zentrum? Dafür, dass sie nur kurze bewohnt war, war sie auf jeden Fall wohl recht wohlhabend und reich ausgestattet, wenn man der Zahl und Qualität der Funde im (nur zu einem Bruchteil durch Ausgrabungen erforschten) Areals glauben darf. Zu den Funden gehören u.a. die Reste des ältesten in Tschechien gefundenden auf einer Töpferscheibe hergestellten Gefäßes. Auch Teile einer Korallenkette fand man neben tausenden von Scherben, behauenen Steinkeilen und vielem mehr. Auch schienen etliche Gebäude innerhalb der Wallanlagen steinerne Fundamente zu haben.

Ein Rätsel gibt auch auf, wie die Bewohner des auf drei Seiten von steilen Abhängen ihre Wasserversorgung sicherstellen konnten, denn Bäche gab es nur im Tal tief unterhalb. Und der Kern der Burg liegt hoch, weshalb man heute von dort eine grandiose Aussicht auf die Umgebung genießen kann (Bild rechts). Es gibt leider nur einen anekdotischen Bericht aus dem Jahr 1913 über eine leider nicht mehr erhaltene Karte, die anscheinend noch Reste einer Wasserleitung vom heutigen Ort einer kleinen Kapelle, die dem Heiligen Gotthard (kaple sv. Gotharda) hin zur rund 1,8 Kilometer entfernten Wallanlage zeigte. Auf Masners Karte von 1935, die von dem Maler Josef Holub angefertigt wurde, ist hingegen ein Fragment eines Brunnens eingezeichnet, von dem sich aber heute nicht mehr finden lässt. Er hätte jedenfalls eine sehr tiefe Bohrung vorausgesetzt. Beide Theorien zur Wasserversorgung (plus die Tatsache, dass es wohl steinerne Gebäude und nicht nur Holzhütten gab) setzten jedenfalls ein bemerkenswert hohes Technologieniveau voraus, das zu erreichen selbst die rund 1000 Jahre später in diese Region einwandernden Slawen kaum in der Lage waren.

Eigentlich kann man es kaum erwarten, dass irgendwann einmal noch einmal eine große und umfassende Ausgrabung unter Verwendung modernster Technik in Gang gesetzt wird. Offensichtlich war die Wallanlage von Minice innerhalb der damals wohl recht dicht besiedelten Region so etwas wie ein bedeutsames Zentrum für die kulturelle Entwicklung der Umgebung. Vieles ist noch unerforscht und unentdeckt (so fand man bisher keinen Friedhof). Und es ist mehr als wahrscheinlich, dass eine neuerliche Erschließung noch viele erstaunliche Funde ans Tageslicht brächten, die unser Wissen über einen interessanten Abschnitt der böhmischen Vorgeschichte bereicherten. (DD)

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