- Hans Weber
- August 16, 2024
Architekt und Baumeister
Dieser elegante Schwung der Formen! Vinohrady – in dieser Zeit noch außerhalb Prags gelegen – ist eine Schatztruhe für die Freunde elegantester Jugendstil-Architektur.
Ein grandioses Musterbeispiel ist das vierstöckige Wohnhaus in der Římská 1199/35 (Prag 2). Es steht hier seit 1903 und wurde damals auf dem Gebiet eines ehemaligen Gartens erbaut, Eichmanka genannt. Eigentümer, Bauherr und Architekt waren ein und die elbe Person, nämlich ein gewisser Karel Horák. Der war in Vinohrady wohl etabliert und angesehen – vor allem als lokaler Vorsitzender des Turnerbunds Sokol (Falke), über den wir schon hier berichtet hatten. Da versammelten sich auch Unsportliche, denn im Grunde war der Sokol die große Sammelbewegung aller patriotischen und liberal gesinnten Tschechen, die sich für eine größere demokratische Selbstbestimmung Böhmen im Habsburgerreich einsetzten.
Die Verbindung von kommunalpolitischer Vernetzung, Architektenbüro und Baufirma war profitabel und Horák war wohl ein reicher Mann. Das zeigt sich nicht nur darin, dass er sich gleich nebenan, in der Římská 1222/33, noch ein großes Mietshaus bauen konnte, sondern auch in der luxuriösen Gestaltung. So steht schon über dem Eingang in großen vergoldeten Jugendstil-Lettern der Schriftzug: „Karel Horák – Architekt a Stavitel“, d.h. Architekt und Baumeister.
Damit nicht genug der Selbstdarstellung, denn das Thema tauch noch einmal auf der Höhe des ersten Stocks auf, wo zwei allegorische Plastiken in Stuck die Architektur (eine weibliche Figur mit einem Gebäude in der Hand) und die Baumeisterei (eine männliche Figur mit Hammer und Maschinenrad) symbolisch darstellen. Beide sind künstlerisch hochwertig und Kritiker finden bisweilen, sie kämen denen des damals überaus bekannten Bildhauers Stanislav Sucharda im Geiste nahe, der unter anderem das große Palacký-Denkmal am Moldauufer erschaffen hatte (früherer Beitrag hier).
Oben unter dem Giebel findet man eher ein pastorales Motiv als Stuckrelief. Je eine männliche und eine weibliche (kleines Bild links) Figur können beim Pflücken von Früchten beobachtet werden. Stilistisch passt das harmonisch zu den beiden Allegorien weiter unten.
An der Fassade hat sich gottlob seit 1903 wenig nichts geändert – außer dass sie nach der Wende 1989 wieder ein wenig restauriert wurde. Ansonsten gab es innen noch einige Umbauten. Horák konnte die Frucht seiner Arbeit nur ein Jahr genießen; er starb 1904. Schon im Jahr darauf ließ seine Witwe und Erbin Marie Horáková (beide Häuser gehörten ihr nun) von dem Architekten Jindřich Břeněk insbesondere den Hof vergrößern und im obersten Stock ein Fotoaltelier einrichten. Weitere Umbauten erfolgten 1928 und 1930.
Und so fehlt heute ein klassisches Merkmal vieler der damals in Vinohrady gebauten Miets- und Wohnhäuser, nämlich dass sich im Erdgeschoß ein einziger großer Wohnungsbereich befand. Das ist heute nicht mehr so. Das Erdgeschoss wird heute gewerblich genutzt. Ein kleiner Buchladen hat hier vor einigen Jahren seine Pforten aufgemacht.
Anscheinend hat der Denkmalschutz hier so seine strikten Auflagen gemacht. Jedenfalls hat die kommerzielle Nutzung den optischen Eindruck kein bisschen beeinträchtigt. Die schönen Stuckaturen und die schnörkeligen Balkon- und Türgitter erfreuen immer noch das Auge des Betrachters. Horák sei Dank! (DD)
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