Art Déco unter unglücklichem Stern

Wer nach einem richtig beeindruckenden Beispiel für die Architektur des Art Déco in Prag sucht, wird zurecht meist zuerst auf den Akropolis Palast (Palác Akropolis) in der Kubelíkova 1548/27 im Stadtteil Žižkov (Prag 3) hingewiesen.

Mit dem Pálac Akropolis erfüllte sich der unternehmungslustige Architekt Rudolf Václav Svoboda seinen Traum. Gleichzeitig Bauherr, wollte er ein Kulturzentrum für den Stadtteil organisieren. Ein „Haus, in dessen vielfältigen Räumen ich große Musik, Theater, bildende Kunst finden würde. Wo ich hinging, um mich zu treffen, ein Bier zu trinken, mit Freunden zu tanzen und bis zum Morgen Spaß zu haben. Wo Dinge verkauft würden, die es woanders nicht gibt, und wo sich Menschen treffen würden, die es woanders nicht gibt“, wie er später sagte.

Ein Wohnhaus für gehobenes Bürgertum (in den oberen Etagen) mit Dachterasse und (in den unteren Etagen) ein (so nicht mehr existierender) THeatersaal mit 500 Sitzen plus kleinerer Säle (von denen der heutige Große Saal noch einen überragenden Eindruck der ursprünglichen Art Déco-Eleganz vermittelt (Bild rechts). Und natürlich ein modern ausgestattes Kino und ein schickes Café – und das alles in einem Gebäude mit Stil. Die Bauarbeiten begannen im März 1927 und im Januar 1928 war das Gebäude fertiggestellt.

Doch der Traum platzte schnell. Zu teuer, zu wenig Einnahmen: Svoboda war bald gezwungen, das Haus in einer Zwangsversteigerung zu verkaufen. Eine Tragödie! Damit ging es 1928 in den Besitz des Theaterintendanten Prokop Laitrich, der ein Komödientheater aufmachen wollte, aber 1929 kam die Weltwirtschaftskrise und auch dieser Traum ging schnell zu Ende. Der damals überaus beliebte Schauspieler Karel Želenský übernahm das Haus, aber das Publikum kam nicht im erwarteten Umfang, denn es bevorzugte Theater, die im Kern der Innenstadt lagen, und Žižkov liegt etwas außerhalb (wenngleich verkehrsgünstig) und galt teilweise als nicht mondänes Arbeiterviertel, was man heute total „hip“ findet, damals aber nicht. Ende der 1930er Jahre übernahm der damalige Direktor der Großen Operette in der Altstadt, Jiří Koldovský, das Theater, der mit riesigem Staraufgebot Nägel mit Knöpfen machte.

Die Erröffnung von Koldovskys Theater unter der künstlerischen Leitung von František Filipovský erfolgte 1939. Aber da kam Unheil über das ganze Land, das nun unter die Knute Hitlers geriet. Das erträumte Großstadttheater war nur noch für sporadische Filmvorführungen gut. Gutes Theater lief ab 1940 nicht mehr. Nach dem Kriegsende 1945 eröffnete man kurz wieder, aber mit der Machtergreifung der Kommunisten 1948 erfolgte eine neuerliche Schließung. Oben in den Mietwohnungen wohnten immer noch Leute, aber dort, wo das Kulturleben blühen sollte, gab es nur noch Lagerräume und eine zeitlang eine billige Kantine. Hinzu kam die im Kommunismus übliche Vernachlässigung, die zu allmählichem Verfall führte. Irgendwie stand das doch so beeindruckende Traumgebäude Svobodas von Anfang an unter einem ausgesprochen unglücklichen Stern.

Dann kam die neue Glückssträhne. Der Kommunismus verschwand 1989 gottlob von der Bildfläche. Und 1991 wurde (mit Zuschüssen von der Stadtregierung Prag 3) das Haus von der Theater- und Musikagentur Žižkov (Žižkovská divadelní a hudební agentura) gekauft und mit Hilfe der Stiftung Prag Fünf (Nadace Pražská pětka) in den Jahren von 1992 bis 1995 renoviert und das neu eingerichtete Restaurant in Betrieb genommen. Der Theatersaal wurde umgebaut und das Theaterprogramm um Konzerte und andere kulturelle Veranstaltungen erweitert. Die Wohnung oben gehören teilweise den Wohneigentümern oder einem privaten Investor.

Seit dem Abschluss der Renovierung 1995 sieht das Gebäude wieder richtig schick aus. Das Ganze ist zum Kulturszeneort geworden. In Žižkov findet sich Dank einer etwas alternativ getönten Gentrifizierung auch das Publikum, das den Betreibern in der Zwischenkriegszeit fehlte. Die Renovierung setzte auch optisch behutsam neue Akzente, wofür vor allem dem Maler, Bildhauer und Designer František Skála Dank gebührt. Der setzte mit kleine skulpturalen Elementen, allen voran das inmitten des Schriftzuges „Palác Akropolis“ platzierte „pulsierende Auge“, neue ästhetische Akzente.

Das Skálasche „Auge“, das in vereinfachter Form auf der Fassade regelmäßig wiederkehrt (dann aber im Original von 1927), knüpft allerdings ein wenig an die Äthetik des Kubismus mit seinen kristallinen geometrischen Formen an. Auf den ersten Blick könnte man daher das Gebäude in diese Stilrichtung einordnen, zumal der Türbereich tatsächlich sehr wuchtig-kubistisch wirkt (und möglicherweise dadurch geprägt wurde). Kubismus und Art Déco sind sehr verwandte und daher gut zusammenpassende Stile. Aber der Gesamtblick auf die Fassade, die sich an die Stromlinien-Form des Art Déco anlehnt, lässt es doch als das erscheinen, was es ist. Eleganz, an Technik orientiertes Design, bunte Farben, Symmetrie – das alles findet sich in diesem Musterbeispiel Prager Art Décos in unnachahmlicher Weise wieder.

Und das Ambiente scheint wirklich inspirierend zu sein. Man befindet sich hier in der etwas hippen Alternativszene mit viel kreativem Elan. Ab und an gibt es auch internationale Vorführungen (man ist ja kosmopolitisch hier in Žižkov. Wir amüsierten uns vor einem Jahr bei einem internationalen Puppentheaterfestival. Es gibt zudem zwei mega-gemütliche Bars (rechts die Kellerbar), in denen sich auch gerne Leute tummeln, die gar nicht eine Theateraufführung besuchen. Ein echter Kultur- und Szenetreff. Möglicherweise hatte sich dereinst Gründer Svoboda das genauso gedacht. (DD)

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