Außen schlicht, innen prächtig

Wie groß und prachtvoll die St.-Clemens-Kathdrale (Katedrála sv. Klimenta) an der Karlova 190/1 in der Altstadt ist, erschließt sich nicht unmittelbar, wenn man an der Straßenseite an ihr vorbeigeht.

Die Fassade zu dieser Seite erkennt man auf den ersten Blick nämlich kaum als Kirchenfassade. Die charakteristischen Fenster sind hoch gelegen und daher in der sehr engen Straße kaum wahrzunehmen. Der Eingangsbereich suggeriert einen Kirchenbau, grenzt aber so an die nebenan liegende Salvatorkirche, dass man ihn kaum eigenständig wahrnimmt. Die Schlichtheit der Straßenfassade mag ihren Grund darin haben, dass sie zugleich die Außenmauer eines riesigen, um große Innenhöfe gruppierten Gebäudekomplexes ist. Es handelt sich um das berühmte Klementinum, das 1556 gegründete Jesuiten-Kolleg, das im 17. und 18. Jahrhundert so ausgebaut wurde, dass es seither neben der Burg der größte Baukomplex in ganz Prag ist. Als katholische Bildungs- und Forschungseinrichtung übernahm das Klementinum 1654 sogar mehr oder minder die große Karlsuniversität (unser Bericht hier). Hier gab es eine der größten Bibliotheken in Prag und eine große Sternwarte.

Im Klementinum, dass ja als Jesuiten-Kolleg ein wichtiger Bestandteil der Rekatholiserungsstrategie der Habsburger nach dem Dreissigjährigen Krieg war, wurden auch gleich vier Kirchen eingerichtet, nämlich die Kirche zum Allerheiligsten Salvator (Kostel Nejsvětějšího Salvátora), über die wir schon hier berichteten, die Spiegelkapelle (Zrcadlová kaple; über die wir hier schrieben), die die Kapelle Mariä Himmelfahrt (Kaple Nanebevzetí Panny Marie) und eben die St. Clemens-Kathedrale an der Außenseite des Komplexes an der Karlova, nur wenige Meter von der Karlsbrücke entfernt. Die schlichte einschiffige Struktur des Gebäudes ist vom Innenhof des Klementinums besser zu erkennen, als von der Straße draußen, wie man im Bild rechts sieht. Für eine hochbarocke Kirche wirkt sie immer noch recht schlicht und streng. Mit Ausnahme der korinthischen Pilaster sieht man keine verzierenden Elemente auf der Fassade. Das entsprach wohl dem sehr nüchternen und wissenschaftlichen Geist der jesuitischen Forscher hier.

Nichts destoweniger handelt es sich um einen barocken Prachtbau. Er wurde in den Jahren 1711 bis 1715 nach den Plänen des berühmten Architekten Franz Maxmilián Kaňka durch den Baumeister Giovanni Antonio Lurago erbaut. Dereinst hatte sich hier eine 1227 geweihte Klosterkirche des Dominikanerordens befunden, die allerdings 1420 während der Hussitenkriege zerstört und danach nicht wieder aufgebaut worden war. Die im Zuge der Gegenreformation geplante Gründung des Klementinums bot die Gelegenheit zu einem Neubau. Der äußerlich schmuckeste Teil des Äußeren ist der Eingang mit seiner geschwungenen Fasade und den Torbögen.

Man ist also optisch wenig vorbereitet auf das Innere der Kirche, das sich nämlich in Sachen Prachtentfaltung vor keiner anderen Barockkirche in Prag verstecken muss. Der Chorraum mit seinem langen Schiff verfügt alleine über sechs Seitenaltäre. Die dazugehörigen Skulpturen sind hauptsächlich das Werk des berühmten Bildhauers Matthias Bernhard Braun, dem wir u.a. die Statue der Heiligen Ludmilla auf der Karlsbrücke verdanken. Und dann ist da der große Hauptaltar, dem 1772 das Altarbild des Malers Joseph Kramolín (mit einer Darstellung des Heiligen Klemens) hinzugefügt wurde. Nicht zu vergessen: Die Decke zieren Fresken des Maler Johann Hiebel mit Szenen aus dem Leben des Heiligen Klemens. Es gibt noch unzählige Gründe mehr für einen Besuch der St.-Clemens-Kathedrale…

Den Jesuiten gehört sie allerdings nicht mehr. Die wurden nämlich unter Kaiserin Maria Theresia (gemäß einem Beschluss des Papstes) 1773 aufgelöst, wodurch das Klementinum als Teil der Universität zur säkularen Forschungsstätte wurde. Die Jesuiten wurden 1814 wieder erlaubt, aber das Klementinum bekamen sie nicht wieder. Die drei Kirchen wurden darob „normale“ Gemeindekirchen. Die St.-Clemens-Kathedrale dient seit 1931 als Gebäude der Griechisch-Katholischen Kirche als Gotteshaus – mit einer Unterbrechung von 1950 bis 1969, als sie der Orthodoxen Kirche zugeschlagen worden war. Zumindest von außen merkt man es der Kirche nicht an. Auf dem gusseisernen Torgitter sieht man dort immer noch das mit drei Querbalken versehene Papstkreuz, das von Orden wie eben den Jesuiten verwendet wird, die dem Papst direkt gegenüber verantwortlich sind. Das darf man nicht mit dem zweibalkigen Patriarchenkreuz verwechseln oder – was in diesem Fall leicht passieren könnte – dem orthodoxen Kreuz, das auch die Griechisch-Katholische Kirche verwendet, das zwar dreibalkig ist, bei dem aber der (kürzere) untere Balken geneigt ist. Optisch sind die Jesuiten hier also noch präsent, obwohl sie real seit 1773 verschwunden sind.

Und noch ein Tipp: Wie die beiden anderen Kirchen im Klementinum verfügt auch die St.-Clemens-Kathedrale über eine ausgezeichnete Akkustik, sodass sich ein Besuch eines der vielen Konzerte dort empfiehlt. (DD)

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