Außen unauffällig, innen groß

Gewiss, die Metrostation Petřiny gehört wohl nicht zum Sehenswertesten und Ansehnlichsten, was Prag architektonisch so zu bieten hat. Aber sie ist recht neu und modern, zweckmäßig konstruiert, einigermaßen behindertenfreundlich und baugeschichtlich interessant.

Es handelt sich um die vorletzte Station der Linie A (grün) und sie wurde am 6. April 2015 gleichzeitig mit der Endstation der Linie, Nemocnice Motol, eröffnet. Und sie gehört zu den neuesten Stationen der Linie. Denn die drei Linien der Metro wurden eigentlich noch in kommunistischen Zeiten zwischen 1974 und 1985 eröffnet. Aber da fuhr die Linie A nur bis zur Station Dejvická. Erst ab 2010 begann man mit dem Bau von vier weiteren Stationen, von denen Petřiny die dritte war. Dieser Ausbau war nötig. Im Ortsteil Petřiny, in dem sich die gleichnamige Station befindet, wurde in den 1950er und 60er Jahren die erste große Plattenbausiedlung entstanden war. Hier wohnten jetzt Massen von Menschen, die aber verkehrstechnisch nicht sonderlich gut angebunden waren. Und das blieb auch (zu) lange so.

Das war nicht das einzige Beispiel in Prag (aber nicht nur dort, sondern in vielen Städten, auch im nicht-kommunistischen Westen), wo Großsiedlungen hochgezogen wurden, ohne sie mit der Metro zu verbinden. Wir hatten ja zum Beispiel hier über die an der Linie C (rot) gelegenen Metrostation Střížkov in Prosek berichtet, wo in den Jahren 1964-71 eine noch größere Plattenbausiedlung angelegt wurde, die dann bis 2008 auf ihre Metrostation warten musste. Aber, auch wenn die alte Metro nicht bis Petřiny reichte, so waren doch die meisten Stationen damals in irgendeiner – wenn auch nicht immer ganz gelungenen – Weise mit künstlerischen Elementen ausgeschmückt worden. Es war zuletzt im Kommunismus sogar gesetzlich vorgeschrieben, dass ein kleiner Anteil des Budgets öffentlicher Projekte für die künstlerische Ausgestaltung (einige Beispiele schilderten wir u.a. bereits hierhier und hier) verwendet werden musste. So etwas sucht man in der modernen Station Petřiny vergeblich. Sie ist auffallend schmucklos.

Das gilt nicht für alle moderneren Stationen, aber für diese, die nach den Plänen des Architekten Jiří Pešata erbaut wurde, dann doch. Dafür sind ihre Aufbauten über der Oberfläche sehr klein, vielleicht weil man aus ästhetischen Gründen gerade nicht wollte, dass sie das Stadtbild dominiert. Immerhin macht sich das Foyer ganz beeindrucken, weil der rechteckige Haupteingang an der großen Straße Na Petřinách etwas abgestuft ist, sodass der Abstieg mit der riesigen Rolltreppe mit einem Lichteinfall von oben durch die Fenster beginnt (siehe Bild links) – ein bei richtigem Sonneneinfall durchaus interessanter optischer Effekt.

Wo wir gerade bei der Rolltreppe sind: Die ist tatsächlich ziemlich lang, ja, sie gehört zu den längsten ununterbrochenen Rolltreppen der Prager Metro überhaupt (aber nicht die längste, denn die befindet sich hier). Während die meisten neuen Stationen nahe der Oberfläche liegen und bisweilen beim Bau von oben ausgeschachtet (etwa hier) wurden (statt Tunnelbohren), befindet sich der Bahnsteig hier in 37,5 Meter Tiefe. Station Petřiny mag oben von der Straße aus unauffällig sein, aber drinnen sieht man ihre durchaus beeindruckende Dimension.

Eine Rolltreppe reicht da natürlich nicht, denn das würde nicht den modernen Standards von Behinderten-freundlichkeit entsprechen. Die Station gehört daher zu denen mit der größten Aufzugskapazität in ganz Prag. Wer die nutzen will oder muss, kann das aber nicht beim Haupteingang tun, sondern muss sich ein wenig die Brunclíkova hinunter bewegen, um dort einen noch kleineren und unauffälligeren Bau zu finden, der mit einem kleinen kubischen Turm mit einem Aufzug für Rollstuhlfahrer ausgestattet ist. Daneben sieht man eine mit Glas überdachte Treppe, die in ein Vestibül führt, von dem aus zwei weitere Aufzüge in die Tiefe hinunterfahren. Über die Sinnhaftigkeit von Aufzügen, für die ein Rollstuhlfahrer ein Stockwerk die Treppe benutzen muss, kann man so seine Meinung haben, aber da jeder der drei Aufzüge 21 Personen fasst, ist der obere durchgängige Aufzug wahrscheinlich mehr als hinreichend.

Die enorme Tiefe der Station brachte große technische Herausforderungen mit sich. Es wurde erstmals ein riesiges und hyper-modernesTunnel-Bohrgerät eingesetzt, eine sogenannte Schildmaschine, der man den Namen Adéla gab. Die Maschine eignete sich besser für das hier vorherrschende lockere Gestein und man musste sich nicht mehr mit in diesem Kontext eher gefährlichen Sprengungen fortbewegen. Mit Adéla konnten die Arbeiter die letzten Kilometer nach Petřiny bis zu 19,5 Meter pro Tag vorantreiben. Stattlich!

Um Geräte hineinzuschaffen wurde auch eine Art Zugangstunnel von der Seite erstellt, den man Markéta taufte. Er wurde nach Fertigstellung der Station wieder verfüllt. Hinter der Station wurde auch noch ein provisorischer Endbahnhof angelegt, um zum Beispiel Wendemöglichkeiten zu schaffen. Aufwendig war das, aber es lohnte sich. Und von Innen findet man die Station nicht nur recht elegant (wenngleich ohne Kunst am Bau), sondern vor allem ausgesprochen geräumig, ist er doch mit 217 Metern Länge, 16 Meter Höhe und 22 Meter Breite die größte aller Untergrundkonstruktionen der Prager Metro.

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