- Hans Weber
- April 24, 2025
Bildungsstolz
Hoch über dem Gewirr der ein- und ausfahrenden Gleise vor dem Hauptbahnhof thront sie geradezu majestätisch. Fast wie ein Palast. So, also ob sie das Getümmel der Eisenbahnen da unten nichts anginge.

Es handelt sich aber um eine Schule, genauer um die Schule zu Smetanka (Škola Na Smetance) an der Na Smetance 505/1 im Stadtteil Vinohrady. Das riesige Gebäude ist heute zugleich Grundschule (Základní škola) und Kindergarten (mateřská škola), aber bis es das wurde, hatte es schon eine lange Geschichte hinter sich. Der heutige Stadtteil Vinohrady (der erst 1922 zu Prag eingemeindet wurde und vorher eine eigenständige Stadt war) war früher ein rein landwirtschaftlich genutztes Gebiet, wie der Namen Vinohrady (=Weinberge) besagt, zum großen Teil mit Weinbau. Eines der großen Landgüter dort hieß Smetanka. Es umfasste ein recht großes Landstück, das zum Beispiel den heutigen Hauptbahnhof und die Staatsoper (die es damals beide noch nicht gab) umfasste.

Das Gut war immerhin so groß, dass sich dort neben Gutshaus und Anbaufläche auch ein Wirtshaus befand und zwischen Jahren 1859 und 1894 auch der hölzerne Theaterbau des Divadlo Pštroska (Straußentheaters), der bis 3000 Zuschauer fasste. Aber in den 1880er Jahren begann die damalige Gutsbesitzerin Františka Bachheiblová damit, ihr Land Stück für Stück zu verkaufen. Und ein großes Stück sollte dabei der Bildung dienen. Ab 1877 wurde das Gebiet von Vinohrady als Stadtgebiet erschlossen und damit brauchte man auch eine Bildungsinfrastruktur. Und hier bei der Smetanka entstand in den Jahren 1886 bis 1888 das fünfte Schulgebäude der neuen Stadt. Entworfen wurde das Gebäude von dem bekannten Architekten Antonín Turek, der in Vinohrady eine Reihe auffallend prachtvoller öffentlicher Bauten (wir berichteten u.a. hier, hier, hier und hier) entworfen hat.

Turek war ein typischer Vertreter des Historismus mit einer Vorliebe für den Stil der Neorenaissance. Hier hat er an nichts gespart. Weder bei der Größe noch bei Fassadedekoration ließ man sich lumpen. Die Lage auf der Höhe verstärkte den Effekt noch mehr. Und so wurde am 16. September 1888 die Schule durch den Prager Bischof Karel Schwarz eingeweiht, obwohl es keine konfessionelle Schule war. Der Bischof war schließlich auch in den 1870er Jahren Böhmischer Landtagsabgeordneter auf Seiten der tschechischen Nationalisten, was ihm viel Sympathie auch bei nicht-religiösen Tschechen einbrachte.

Das Gebäude mit seinem großen Mittelrisalit (über dem eine verzierte Uhr thront) und den imposanten Ecktürmen war zunächst einmal eine Grundschule für Knaben und Mädchen. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde die Schule in ein sogenanntes Realgymnasium umgewandelt. Das war eine Ende des 19. Jahrhunderts aufgekommene Schulform, deren Abschluss die Hochschulreife sicherte, aber nicht dem sonst üblichen Gymnasialabschluss entsprach, der auf einen humanistischen Bildungskanon (Latein etc.) basierte. Stattdessen standen moderne Sprachen und Naturwissenschaften im Mittelpunkt. 1944 verwandelte die Wehrmacht die Schule in ein Truppenlazarett und die Schüler wurde in andere Schulen gesteckt. Zuvor hatten die Nazis einige Schüler wegen Beteiligung an WIderstandsaktionen hinrichten lassen. Während des Prager Aufstands (siehe auch hier, hier und hier) im Mai gegen die Nazis nutzten die Aufständischen das Gebäude als Funkstation. Zuvor waren Teile des Gebäudes durch den irrtümlichen Bomberangriff der US-Air-Force im Februar 1945 beschädigt worden. Die Zerstörungen waren aber noch im gleichen Jahr repariert.

1949 wurde aus dem Realgymnasium wieder eine Grundschule, der man schon bald einen Kindergarten anschloss. Und so blieb es auch bis zum heutigen Tage. In kommunistischer Zeit kamen eine zeitlang sogar eine Tanzschule und ein Jugendzentrum dazu, die es heute aber nicht mehr gibt. 1966 wurden die alten Kohleöfen aus der Gründungszeit durch eine Zentralheizung ersetzt. Später wurden auch die Sportanlagen zur Straße Italská (sichtbar auf dem Bild links) grundlegend erneuert.

Die Schule zu Smetanka ist nicht die einzige Schule aus der Zeit des späten 19. Jahrhunderts, das sich durch besondere Bildungsbeflissenheit auszeichnete und deshalb auch Prestige erheischende Schulgebäude liebte. Das Gebäude war wohl der Stolz der Stadt, was sich auch darin zeigt, dass an allen Seiten über Blindfenstern das Stadtwappen von Vinohrady (mit dem Nationalheiligen Wenzel, der zwischen den Türmen des Stadttores wacht) angebracht wurde. Das dürfte möglicherweise erst zwei Jahre nach der Einweihung des Gebäudes hier angebracht worden sein, da Kaiser Franz Josef Vinohrady (damals Královské Vinohrady = Königliche Weinberge) erst am 7. Februar 1890 das Wappenrecht verliehen hatte. Aber die Botschaft, die der Architekt mit diesem Gebäudeentwurf aussenden wollte, wird dadurch noch einmal verstärkt. (DD)
Recent posts
See AllPrague Forum Membership
Join us
Be part of building bridges and channels to engage all the international key voices and decision makers living in the Czech Republic.
Become a member