- Hans Weber
- March 27, 2025
Der kleinste Aussichtsturm Prags
Irgendwie ist das doch alles langweilig geworden, wer was wo höher baut als andere. Den höchsten Wolkenkratzer, den höchsten Turm, den höchsten Fahnenmast, den höchsten Was-auch-immer… Small is beautiful, lautet die Devise. Gibt es etwas Erhebenderes als den Anblick des kleinsten Aussichtsturmes von ganz Prag?

Der Nejmenší pražská rozhledna (dt.: Kleinster Aussichtsturm Prags) ist unter wahren Turmkennern natürlich viel beliebter als etwa der ungleich höhere Fernsehturm Žižkov (Žižkovská televizní věž). Zumindest unter den unsportlichen unter ihnen, denn während man beim Fernsehturm 736 Stufen bewältigen muss (Puh! Aber die meisten bevorzugen sowieso den Aufzug), um die Aussichtsplattform (nicht etwa die 216 Meter hohe Spitze) zu erreichen, genügen hier beim kleinsten Turm im östlich gelegenen Ortsteil Dolní Počernice schlappe sieben Steinstufen bei eher kurzem und ebenerdigem Anweg vom Ortskern. Das ist meist dann doch irgendwie noch zu schaffen.

Seit 2014 ist der Turm quasi eines der Wahrzeichen des Ortes. Er liegt inmitten einer kleinen Parkanlage, die im selben Jahr als Geologischer Garten (Geologická zahrada) angelegt wurde. Es handelt sich um einen kleines Lehrpfad, in dem Gesteine aus der wohl geologisch recht interessanten Umgebung aus 600 Millionen Jahren Erdgeschichte real und von Infotafeln begleitet vorgestellt werden. Das ist etwas für Wissbegierige, aber natürlich nicht ganz so witzig wie die Idee, den kleinsten Aussichtsturm Prags zu errichten.

Die Eröffnung von Park und vor allem Turm erfolgte im August 2014 anlässlich des dort stattfindenden jährlichen Musikfestivals Babí Léto (auf Deutsch etwa: Spätsommer/Altweibersommer), ein Event mit vielen regionalen und teils überregionalen Popgruppen. Anscheinend war man da sowieso in Gaudi-Stimmung. Aber warum überhaupt einen Aussichtsturm an dieser Stelle? Weil es tatsächlich eine schöne Aussicht zu genießen gibt! Der Turm liegt an einem Abhang, von dem aus man das kleine (7 Hektar) Naturschutzgebiet (mit interessanter Sumpf- und Waldlandschaft) V Pískovně von oben beäugen kann. Der erstreckt sich um einen idyllischen See, dem Martiňák, der aus einer Kiesgrube entstanden ist.

Der Turm selbst besteht eigentlich nur aus einer aus Rohstein gebauten Aussichtsplattform, auf die man eine pryramidenförmige Holzkonstruktion gesetzt hat, die aber nur dekorativen Zwecken dient und nicht besteigbar ist (weshalb sie bei der Höhenmessung irgendwie nicht mitzählt). Auf jeden Fall ein erhebendes Gefühl, auf einem Bauwerk dieser Dimension zu stehen. Dem kleinsten Aussichtsturm der Stadt. So muss sich seinerzeit Ronald Dunk auf dem „auf dem kleinsten Flaggenmast der Welt“ gefühlt haben (nachzulesen in WDC 245/1). In der Ferne kann man die Plattenbauten einer randstädtischen Siedlung sehen. Jeder der Häuserblöcke ist höher als der Aussischtsturm hier. So soll es sein. (DD)
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