Ein Denkmal, auf dem ein Fluch lastet?

Hinter Denkmälern verdienter Politiker der Ersten Republik verbirgt sich fast immer eine interessante Geschichte. Das gilt auch im Fall von Antonín Švehla, dessen Denkmal im heutigen Stadtteil Hostivař (Prag 15) man hier sieht.

Immerhin drei Kabinetten stand Švehla zwischen 1922 und 1929 als Ministerpräsident vor, bis er aus Gesundheitsgründen auf eine weitere Amtszeit verzichtete. Neben Präsident Tomáš Garrigue Masaryk war er einer der Stabilitätsanker der Republik. Der in Hostivař geborene Gutsbesitzerssohn hatte sich schon den Zeiten des Habsburgerreichs als Abgeordneter des Böhmischen Landtags politisch engagiert und war führender Repräsentant der böhmischen Agrarpartei (Bauernpartei). Die vertrat die Interessen der Landbevölkerung und war im Kern eher konservativ. Allzu demokratischen Experimenten stand man damals in den Reiehn der Partei noch skeptisch gegenüber.

Schon während des Ersten Weltkriegs (an dessen Ende die tschechoslowakische Unabhängigkeit stand) arbeitete Švehla im Untergrund (z.B. im Tschechischen Nationalausschusses) mit Politikern anderer Strömungen an Plänen zur Gründung der Republik, was nun die einzig sinnvolle Option wurde. Und er war es, der die Nachfolgepartei der Agrarier, die Republikanische Partei der Landwirte und Kleinbauern (Republikánská strana zemědělského a malorolnického lidu) auf einen zwar konservativen (insbesondere was einen irrlichternden Agrarprotektionismus anging), aber dezidiert demokratischen Kurs brachte. In den Wahlen von 1925 (13,66%) und 1929 (15%) machte er die Partei als Vorsitzender zur stärksten Partei des Landes überhaupt. Er war als „Meister des politischen Kompromisses“ in der Lage, die divergierenden Kräfte der Republik zusammenzuhalten. 1927 drängte man ihn, gegen Masaryk für das Präsidentenamt zu kandidieren, aber er lehnte ab und unterstützte Masaryk stattdessen. Beide trugen dazu bei, das die Tschechoslowakische Republik als einzige der nach dem Ersten Weltkrieg gegründeten Demokratien überlebte.

Zurück um Thema „Denkmal“. Dass er sich nach seinem Tod im Jahre eines verdient hatte, leuchtet ein. Das erste Denkmal, von dem Bildhauer Alois Bučánek gestaltet, wurde schon 1936 im nahen Říčany aufgestellt, allerdings von den Nazis nach der Besetzung abmontiert und in einem Lager deponiert. Nach der Wiederkehr der Demokratie wurde es 1946 wieder aufgestellt, nur um 1948 von den Kommunisten wieder demontiert zu werden. Die wollten Nägel mit Köpfen machen und Švehla gleich einschmelzen. Kurz bevor das geschehen konnte, stahlen einige heldenhafte Jungbauern die Statue aus dem Zwischenlager im Feuerwehrhaus und versteckten sie in einem Brunnen. Die Kommunisten fanden nie heraus, wo sie sich nun befand. 1989 war der Kommunismus passé und das Denkmal wurde aus dem Brunnen gefischt und flugs wieder aufgestellt (wofür ein inzwischen dort errichtetes Denkmal für die Rote Armee weichen musste).

Hier in Švehlas Geburtsort Hostivař war man in den Zeiten der Ersten Republik allerdings noch nicht zur Errichtung eines Denkmals gekommen. Folglich musste man bis zum Ende des Kommunismus damit warten. Im Jahre 2000 wurden die Bildhauer Jan Bartoš und Vít Zdrůbecký beauftragt, ein Denkmal zu entwerfen. Die Bronzebüste, die auf einem Marmorsockel (Gesamthöhe: 2,50 m) ruht, wurde im Juni 2001 feierlich eingweiht. Auf dem Sockel kann man eine Inschrift mit einem Zitat Švehlas aus dem Jahr 1932 lesen: „Demokracie nebyla ještě plně pochopena, zvláště její základní příkaz: vědomí odpovědnosti.“ (Demokratie ist nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht. Wähle deine Anführer sorgfältig aus, denen du dein Schicksal anvertraust.).

Aber, wie gesagt: Denkmäler der Repräsentanten der Ersten Republik sind manchmal von einem Fluch verfolgt. Im August 2006 wurde das Denkmal Opfer eines Anschlags durch einen (oder mehrere?) Vandalen. Schon im Dezember konnte das nun kostspielig restaurierte Denkmal wieder aufgestellt werden. Das Ganze wiederholte sich wieder im Sommer 2018. Die Büste wurde abgeschlagen und der Sockel mit ihr zusammen in einen Graben geworfen. Politiker aller Parteien und sogar der Präsident äußerten öffentlich ihre Bestürzung. Seit dem Oktober steht das abermals aufwendig reparierte Denkmal wieder vor Ort. Die oder der Täter wurden nicht gefasst. Warum Leute meinen, ausgerechnet das Andenken an Švehla so mit Hass zu verfolgen müssen, bleibt unerklärlich. Gibt es vielleicht wirklich einen Fluch? (DD)

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