Ein kleines Stück vergessener Geschichte: Die Synagoge von Košíře

In den damals noch selbständigen, aber heute zu Prag gehörenden Stadtteilen finden sich viele alte jüdische Synagogen, die man von außen kaum als solche wahrnimmt. Ein Beispiel sieht man hier, die Synagoge von Košíře (Košířská synagoga).

Zu den bleibenden Errungenschaften der niedergeschlagenen liberalen Revolution von 1848 bleibt die Erklärung der Judenemanzpation, die aus den Juden im Land gleichberechtigte Bürger machte und vor allem auch den Ghettozwang aufhob. Juden konnten nun leben und wohnen, wo sie wollten. In vielen Ortschaften gründeten sich viele neue Gemeinden und es entstanden damit auch neue, meist kleine Synagogen. So auch im damals ländlichen Košíře, wo dieses Gebäude schon 1849 eingeweiht wurde. Es sah wohl schon damals eher wie ein kleines und unscheinbares Wohnhaus aus und die Zeitläufe haben es optisch immer mehr in diese Richtung verändert. Das Gebäude, an dem man ohne Vorwissen wahrscheinlich achtlos vorbeigehen würde, liegt in der Na Popelce 771/11, direkt neben dem ehemaligen großen Gutshaus Popelka (usedlost Popelka), von dem aber heute nur noch wenig erhalten ist.

Die jüdische Gemeinde war so klein, dass anscheinend irgendwann die Nutzung als Synagoge nicht mehr sinnvoll war. Um 1930 wurde das Gebäude in ein jüdisches Waisenhaus umgewandelt. Als 1939 die Nazis ins Land einmarschierten, kam das jüdische Leben gänzlich zum Erliegen. Die meisten Juden wurden wohl ermordet. Das jüdische Leben in Košíře erholte sich davon nie mehr und das Gebäude wurde in ein reines Wohn- und Mietshaus umgewandelt. In kommunistischen Zeiten und leider auch danach verfiel es ein wenig und wurde stark renovierungsbedürftig. 2019 wurde eine Renovierung mit größeren Umbauten begonnen, die 2021 weitgehend abgeschlossen war. Äußerlich gibt es eine gewisse Kontinuität, aber es wurde ein zusätzliches Stockwerk aufgesetzt und die Ummauerung des Grundstücks modernisiert. Die bis dahin auf Höhe des ersten Stocks noch sichtbare Jahreszahl 1849, die in Eisenlettern gegossen war, ist seither auch verschwunden. Das ist schade, damit verschwand auch die letzte sichtbare Erinnerung daran, dass dieses Haus auf ein wichtiges Stück Prager Stadtgeschichte zurückblicken kann. Hier besteht einfach Bedarf an Erinnerungskultur. Vielleicht kommt ja die Stadtverwaltung irgendwann einmal auf die Idee, eine Gedenk- und Informationstafel anzubringen. (DD)

 

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