Ex-Bahnhof unter Flügelrädern

Das stolze Logo der Bahn mit dem geflügelten Rad prangt immer noch auf dem Giebel. Züge fahren hier auch immer noch vorbei, aber keiner hält mehr. Als Bahnhof hat der Bahnhof von Vinohrady seine Zeit hinter sich.

Das geflügelte Rad, das war schon in den Zeiten der Doppelmonarchie das Logo der k.u.k. Eisenbahn. Als 1918 das Habsburgerreich unterging, übernahm es die Bahn der neuen Tschechoslowakischen Republik einfach. Erst in den Zeiten des Kommunismus wurde es durch einen Vorläufer des heutigen Logos der Tschechischen Bahn ersetzt. Das ist aber längst nicht so dekorativ wie das alte kakanische Logo. Und so freut man sich, es hier auf dem ehemaligen Bahnhofsgebäude in der Bělehradská 407/22 sehen zu können.

Aber nun zum Bahnhof selbst: Der Stadtteil Vinohrady (Weinberge), der damals noch gar kein Stadtteil, sondern eine eigene Stadt war, die Královské Vinohrady (Königliche Weinberge) hieß, wurde erst Ende des 19. Jahrhundert erschlossen, geplant und gebaut. Auf seinem Areal befand sich seit 1871 der Prager Hauptbahnhofs (mehr: hier). Der war, im Gegensatz zu früheren Bahnhöfen der Stadt (Beispiel hier) kein Kopf-, sondern ein Durchfahrtsbahnhof. Folglich musste er von zwei Seiten erreichbar sein. Doch im Süden versperrte ein größerer Bergfels bei Vinohrady den Weg. Deshalb wurde der große Eisenbahnunternehmer Adalbert Johann Joseph Lanna, jr. mit dem Bau des 1146 Meter langen Eisenbahntunnels von Vinohrady durch den Fels beauftragt, der die Aufgabe pünktlich zur Eröffnung des Bahnhofs erledigte. Den Aushub benutzte übrigens Lannas Mitunternehmer, der Eisenbahnindustrielle Moritz Gröbe, um darüber eine große Parkanlage mit Villa landschaftlich zu gestalten, die Grébovka (wir berichteten u.a. hier).

Durch den Tunnel: Auf der anderen Seite des Felsens wartete die Verbindung Richtung Südböhmen und Wien. 1868 wurde die k.k. privilegierte Kaiser Franz Josefs-Bahn ins Leben gerufen. Gründer der Bahnlinie war der Großgrundbesitzer und Diplomat Johann Adolf II. Fürst zu Schwarzenberg, der damit eine schnellere Verbindung von Wien nach České Budějovice (Budweis) schuf, von der wiederum eine Nebenlinie nach Prag führte, die sich wiederum 1871 mit der Prager Verbindungsbahn verband, die um diese Zeit für den innerstädtischen Verkehr gebaut worden war, und für die der Tunnel gebaut wurde. Alles war nun Richtung Süden miteinander verbunden.

Währenddessen wuchs Vinohrady. Vor allem im Talbereich des Botič war man doch ein wenig vom Hauptbahnhof entfernt und es bedurfte auch eines regionalen und örtlichen Eisenbahnbetriebs. So wurde 1888 der kleine Bahnhof von Královské Vinohrady errichtet. Das war noch ein einfacher hölzener Fachwerkbau mit einem sogar überdachten Bahnsteig und einer hölzernen Brücke über die Gleise. Immer mehr Verkehr kam auf und diese Lösung empfand man bald als zu klein geraten. 1891 kamen die ersten elektrischen Straßenbahnen, was die Verbindung mit dem Bahnhof zu allen Stadtteilen verbesserte. Mehr Menschen nutzten den Bahnhof. 1912-13 wurde der alte Bahnhof durch einen neuen und größeren ersetzt, der von dem Architekten Josef Heindl entworfen worden war. Es ist im Kern das im späten (geometrischen) Jugendstil gehaltene Gebäude, das man heute hier noch sieht.

Irgendwie verband der Bahnhof jetzt Vinohrady mit dem Rest Böhmens und deshalb sieht man auf der Fassade unterhalb des Bahn-Logos mit dem Flügelrad zwei Wappen – eines von Böhmen mit dem berühmten zweischwänzigen böhmischen Löwen (links), und eines mit dem Wappen von Vinohrady (rechts) mit einem Heiligen Wenzel zwischen zwei Türmen eines Stadttors.

Die Bahnanlage wurde aber am Ende zu groß für den dort gelegenen Bahnhof, der jetzt hätte vergrößert werden müssen. Schon 1872 wurde die Strecke des ersten Tunnels zweispurig. In den Jahren von 1940 wurde 1944 wurde ein zweiter zweigleisiger Tunnel gegraben. Ein dritter wurde auch 1940 begonnen, aber die Bauarbeiten blieben kurz darauf bis in die 1980er Jahre unterbrochen und er wurde erst 1989 eröffnet. Aber schon nach dem Bau von 1944 wurde der Bahnhof geschlossen. Das hatte auch etwa damit zu tun, dass Bahnhöfe, die in Kurven lagen (man sieht es gut bei der Sicht von oben, Bild links), zunehmend als Sicherheitsrisiko gesehen wurden. Dann wurde das Bahnhofsgebäude erst einmal eine zeitlang nicht richtig genutzt und dann, im Jahre 1955, wurde es in ein Verwaltungsgebäude der Bahn umgewandelt.

Damit hatte es mehr Glück als der nächste Bahnhof auf der Strecke, der nur etwas über einen Kilometer entfernte, schon 1872 errichtete Bahnhof Vyšehrad, den man seit seiner Schließung 1960 trotz seines kunsthistorischen Wertes (Jugendstil) allmählich ungenutzt verfallen ließ (über dieses Trauerspiel berichteten wir bereits hier). Immer noch grundsätzlich intakt, aber ein wenig abgenutzt wirkte indes der ehemalige Bahnhof Vinohrady auch in den letzten Jahren – bis man sich 2020/21 zu einer Renovierung aufraffte. Die lässt ihn zumindest auf der Straßenseite in vollem Glanze erstrahlen (auf der Bahnseite haben leider etliche Sprayer ihr schändliches Werk verrichtet). Und das nunmehr attraktive Gebäude mit den Flügelrädern wird seither nicht nur von der Eisenbahnverwaltung, sondern auch von Privatunternehmern genutzt, etwa von einer Augenarztpraxis. (DD)

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