Freude mit Kacheln

Es ist vermutlich nicht jedermanns Lieblingsgebäude in Prag. Meins auch nicht, ehrlich gesagt. Der erste Eindruck ist der einer freudlosen Scheußlichkeit aus der Zeit des Kommunismus. Und dann heißt das Ding auch noch Dům Radost – Haus „Freude“.

So steht es in mageren Neon-Lettern auch auf dem Dach. Doch dann lernt man schnell, dass sich manche Dinge oft schon recht früh ankündigen. Denn dieses Gebäude stand bereits, als man an eine Machtübernahme durch die Kommunisten noch gar nicht ernsthaft nachdachte. Es hat deren architektonisches und städteplanerisches Wirken (Stichwort: Plattenbauten) irgendwie bereits vorweggenommen.
Nach dem berühmten Haus der Feuerwehr (Dům U hasičů) im nahem Vinohrady, das 1929 eingeweiht wurde, ist das Dům Radost, am heutigen Winston-Churchill-Platz (nám. Winstona Churchilla 1800/2) im Stadtteil Žižkov (Prag 3), eines der ältesten Hochhäuser Prags überhaupt. In den Jahren 1932 bis 1934 wurde es von den Architekten Karel Honzík und Josef Havlíček als Büro- und Wohnhaus (mit einigen Geschäften drinnen) erbaut. Und zwar im damals blitzmodernen funktionalistischen Stil. Das Gelände, auf dem man es aus viel Stahl, Beton und Glas erbaute, beherbergte vorher ein städtisches Gaswerk aus dem Jahr 1867, das nun abgerissen wurde. Die Architekten ließen bei Bau des Dům Radost einer vielfältig rechtwinklig angeordneten Kombination von Quadern als ästhetisches Prinzip freien Lauf. Großzügig verglaste Treppenhäuser lockern das Ganze ab und an auf. Das Gebäude beinhaltet rund 700 Büroräume – ein Gigant!
Der Clou war aber die gleichförmige Überziehung der gesamten Fassade mit kleinen, 20x40cm großen hellbeigen Keramikkacheln der heute noch in Betrieb befindlichen Fliesenfabrik RAKO. Die kleinteilige Bekachelung war in den 1930er Jahren im modernen Prag geradezu dernier cri und sie hilft dem Betrachter bisweilen dabei, ein funktionalistisches Gebäude zeitlich einzuordnen (Merksatz: Mit den kleinen Kacheln sind sie eigentlich nie kommunistischen Ursprungs). Aber in so großem Stil war die Kachelei selbst damals ungewöhnlich. Schon bald nannten die Prager Bürger das satte 52 Meter hohe Gebäude etwas respektlos „kachlíkárna“ – Kachelbude.
Im Jahre 1951 schlug hier die von den Kommunisten 1947 gegründete Revolutionäre Gewerkschaftsbewegung (Revoluční odborové hnutí) ihre Zentrale auf und man nannte das Gebäude nunmehr auch Haus der Gewerkschaften (Dům odborových svazů). Als kurz darauf der Gewerkschaft die Institution der staatlichen Rentenversicherung übertragen und in das Gebäude verlegt wurde, nannte man es bisweilen auch hochtrabend Palast des Allgemeinen Renteninstituts (palác Všeobecného penzijního ústavu). Inzwischen hat es aber wieder seinen ursprünglichen Namen – Haus „Freude“ – zurück bekommen. Die Büros innen blieben nach dem Ende des Kommunismus 1989 in Besitz des (allerdings demokratisch gezähmten) Rechtsnachfolgers der Revolutionären Gewerkschaftsbewegung, dem 1990 gegründeten Böhmisch-Mährischen Gewerkschaftsbund (Českomoravská konfederace odborových svazů).

In den Zeiten, in denen noch die Kommunisten bestimmten, wurde auch der Vorplatz nach ihrem Willen gestaltet. Der wurde 1955 zwei Jahre nach dessen Tod nach dem kommunistischen Industrieminister Gustav Kliment benannt. 1977 stellte man eine Statue von Antonín Zápotocký auf, der hier als (ein ausgesprochen stalinistischer) Gewerkschaftsführer wirkte, bevor er 1952 (ein ausgesprochen stalinistischer) Präsident des Landes wurde.

Das Denkmal des Unbeliebten verschwand mit dem Ende des Kommunismus 1989 schnell und wurde 1999 durch ein Denkmal für Winston Churchill (wir berichteten hier) ersetzt. Der hierzulande beliebte bullige britische Kriegpremier ist nun auch Namensgeber des gesamten Platzes und starrt nun geradewegs das Gebäude an, damit sich hier auch ja nicht wieder kommunistische Umtriebe herausbilden.

Im Jahr 2012 beschloss man, der unendlichen Kachelwüste einen kleinen Farbtupfer zu verleihen. In diesem Jahr stellte man vor den überdachten Eingang die über 3 Meter hohe Skulptur Pegasus auf, die – wie der Name sagt – einen Pegasus darstellt, der aus verschiedenen Materialien zusammengefügt wurde. Der Pegagus, der hier tatsächlich ein wenig Freude ins Haus „Freude“ bringt, stammt von dem jungen, in Deutschland aufgewachsenen Bildhauer Štěpán Čapek. Das Dům Radost wurde übrigens 2018 an die Immobilien-Aktiengesellschaft Dům Žižkov verkauft, die hier auch ihre Zentrale aufmachte. Das Gebäude soll in Bälde renoviert werden. Die Dachterrasse wurde bereits eröffnet und erlaubt einen weiten Blick auf Altstadt und Burg. (DD)

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