Geldbunker im brutalistischen Ensemble

Das Gebäude sieht vielleicht ein wenig spukig, aber doch so vertrauenserweckend massiv aus, dass man eventuell hier abgelegtes Geld irgendwie als sehr sicher untergebracht wähnen muss. Dazu kommt Bezeichnung, die sich im Volksmund eingebürgert hat: Bunkr (Bunker). Der Architekt hat sich also etwas dabei gedacht, als er es für die Tschechoslowakische Staatsbank (Státní banka československá) entwarf.

Das in der Štefánikova 267/22 im Stadtteil Smíchov gelegene Bankgebäude ist das Werk des Architekten Karel Prager. Der war bekannt als einer der Großmeister des Brutalismus in der Tschechoslowakei, jenem von den 1960er bis 1980er Jahren (nicht nur) im kommunistischen Bannkreis weit verbreitete Brachialmodernismus, der kühne Konstruktionen aus rohem Beton und Stahl liebte.

Prager hat in Prag einige überaus originelle und architektur-historisch bedeutende Bauten entworfen, etwa das neue Parlament von 1972, das heute als das Neue Gebäude des Nationalmuseums fungiert (erwähnten wir bereits hier), oder das 1977 begonnene innovative Multimediatheater Nová scéna (siehe auch hier). Auch das Staatsbankgebäude verbreitet einen ausgesprochen brutalistischen Charme und zeichnet sich durch eine recht witzig auf den Zweck ausgerichtete Ästhetik aus. Das mit achteckigem Grundriss in der Form einer abgebrochenen stufigen Pyramide gestaltete Gebäude erinnert optisch tatsächlich ein wenig an einen stabilen Tresor. Die Architekturhistorikerin Radomíra Sedláková beschrieb das Ganze einmal als „das solideste, stärkste Gebäude…, das man sich vorstellen kann, ein Bunker für Geld, in den niemand eindringen wird …“

Die Staatsbank, für die Prager diesen Bunker schon 1977 baufertig entworfen hatte, war eine typische Institution der damals existierenden sozialistischen Planwirtschaft. Als sie 1950 gegründet wurde, übernahm sie formal die Rechtsnachfolge der Nationalbank der Ersten Republik, aber ihre Aufgaben waren naturgemäß wesentlich weitreichender definiert als die einer „normalen“ Zentralbank. Da es in der Planwirtschaft ja keine konkurrierenden Spar- oder Handelsbanken gab, war sie zugleich für die zentral gesteuerte Kreditvergabe und die Devisenpolitik zuständig. In den späten 1980er Jahren erkannte man, dass diese Art der Geldallokation ineffizienter war als in einer Marktwirtschaft und man überlegte, ob man den ja eigentlich kommerziellen Sektor von den Zentralbankaufgaben organisatorisch trennen sollte, aber diese Überlegungen wurden unter dem Regime nie vollständig realisiert. Irgendwie war das Gebäude in Smíchov auch ein Beweis, dass die Planwirtschaft nur mäßig funktioniert. Ganze 15 Jahre brauchte es von 1977 an, bis der „Bunker“ fertiggestellt war.

Als dann das Gebäude 1992 endlich eröffnet wurde, waren unter anderem der Schauspieler, Regisseur und Schriftsteller Miroslav Horníček und die bekannte Schauspielerin Dagmar Veškrnový Stargast, die 1997 noch bekannter wurde als sie Präsident Václav Havel heiratete und somit als Dagmar Havlová tschechische „First Lady“ wurde. Aber zu dem Zeitpunkt diente das Gebäude schon nicht mehr dem Zweck, die Tschechoslowakische Staatsbank zu beherbergen. Die gab es nämlich nicht mehr. Denn inzwischen – genauer: 1989 – hatte die Samtene Revolution den kommunistischen Spuk beendet. 1990 wurde die Bank dann endlich doch aufgeteilt. Ein Teil wurde wieder reine Zentralbank (siehe auch hier). Der kommerziell agierende Teil wurde privatisiert, wodurch das Gebäude in Smíchov nun als eine Filiale der privaten (heute einer französischen Bank gehörenden) Komerční banka (Kommerz-Bank) wurde – was es heute noch ist.

 

Wer heute das imposante Gebäude (insbesondere vom Südwesten her) betrachtet, wird feststellen, dass der bullige brutalistische Stil harmonisch in die unmittelbare Umgebung eingepasst ist, was ja häufig nicht der Fall bei solchen, meist als Fremdkörper empfundenen Bauwerken ist. Das liegt daran, dass die beiden den „Bunker“ rechtwinklig zur Hälfte umgebenden achtstöckigen Miets- und Wohnhäuser im gleichen Stil gehalten sind – inklusive der düsteren rotbraunen Kachelverschalung. Und das wiederum liegt daran, dass diese Häuser in der Štefánikova 265/26 und 266/24 in der gleichen Zeit und in einem Guss nfalls von Karel Prager (in Zusammenarbeit mit seinem Kollegen Zbyšek Stýblo) erbaut wurden – unter anderem mit dem Zweck, Wohnungen für die Bankangestellten zur Verfügung zu stellen.

Die wachsende Gemeinde der Freunde des Brutalismus kann sich dadurch nun an einem richtigen Stil-Ensemble erfreuen. Das wäre beinahe noch größer geworden. Denn der ursprüngliche Entwiurf der Stadtplaner sah vor, das der ganze Straßenzug im brutalistischen Stil völlig neu erstehen sollte. Aber vielleicht wäre das zuviel des Guten gewesen, zumal der Sache dann doch einige hübsche historische Gebäude zum Opfer gefallen wären. So ist uns aber brutalistischer Farbtupfer im Stadtteil hinzugefügt worden mit einem der originellsten Bankgebäude der Welt. (DD)

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