Prag/Brünn/Wien – Seit dem medienwirksamen Auftritt am Flughafen Wien im März 2023 mit politischer und wirtschaftlicher Landesprominenz beider Länder, auf einer Sonderfahrt mit noch ausgeliehenen und doch eigens für den Anlass schick lackierten Fremd- und Konferenzwagen, ist es sehr still um den Gepard Express (GPE) und die für zunächst ab April und dann ab Juni 2023 geplante Brünn – Wien Stadlau – Schwechat – Verbindung geworden. So still, dass kaum jemand in Österreich wirklich noch mit der rechtzeitigen Aufnahme des Regelbetriebs gerechnet hatte, zumal GPE nicht gerade seine sonst zahlreichen und lebendigen Social-Media-Kommunikationskanäle bespielte oder seine Unternehmenshomepage dafür nutzte, „Wien per Zug“ zu bewerben. Vielleicht hing das zusammen mit der nicht ganz einfachen Suche nach einem österreichischen Schienen-Netzpartner. Geworden ist es „Tenforty2-Rail“ aus Bayern, auch in Fachkreisen nicht sonderlich bekannt.
Buchen ist plötzlich möglich
Erst seit einigen Wochen kündigte dann auf gepard.com eine Kurznotiz die Aufnahme der Zugverbindung nach Wien an, als würde es bloß um die Anpreisung einer neuen Sommersaison Speise(wagen)karte gehen. Seit einigen Tagen kann man zwar Tickets auch wirklich ohne nennenswerte technische Schwierigkeiten buchen – gar mehrsprachig –, aber das war es auch schon. Wer genauere Infos, Fahrpläne, Anschlüsse oder gar Bilder des Zuges sucht, wird nicht fündig. Bewusstes Marketing geht anders. Lediglich der Buchungsvorgang offenbart, dass man Sitzplätze entweder im Wagentyp „Astra“ (also jenem modernsten Wagentyp aus der rumänischen Wagenschmiede „VagoaneCălători S.A“ mit LCD-Bildschirmen und flugzeugähnlicher Bestuhlung wie beim Regiojet) bucht oder „Lc“, was wohl für „Lowclass“ steht. Beim Zweiteren hege ich den Verdacht, dass es sich wohl um schon wirklich in Jahre gekommene, längst ausrangierte SBB-1.- Klasse-Wagen mit gründlich durchsessener, aber großzügiger Bestuhlung mit viel Beinfreiheit handelt; diese sind bei Regiojet gerne als berüchtigte „lower Low class“ in Verwendung.
Foto: Gepard Express | Facebook
Ein untypisches EVU mit einem „Image“
Überhaupt ist der Gepard Express auch sonst alles andere als ein wirklich typischer Bahncarrier und in Österreich noch gänzlich unbekannt, abgesehen vielleicht von seinen Tagesrand und Nachtfahrtaktivitäten mit Midi-Bussen nonstop vom Flughafen Schwechat nach Brünn, die auch in Corona-Zeiten zuverlässig funktionierten. In Tschechien hat sich das Unternehmen dagegen seit Jahren schon einen Namen (oder besser, ein „Image“) erarbeitet, weniger als ein fades, profanes EVU, sondern mehr als ein agiles, für alles bis dato im seriösen Eisenbahngeschäft als unmöglich geltende: Saunareisezugwagen, Freiwilligenarbeit. Ein Unternehmen mit teils wilden, aber immer interessanten Ideen und mit glaubwürdigen „humanistischen ZÜGen“, die es anders und unterscheidbar machten. So verwirklichte GPE landeskundliche Erkundungs-Sonderzüge nach Bosnien und Tschernobyl, plant 2023 im Sommer eigene Züge nach Moldava und sogar ins unruhige Transnistrien und fuhr mehrmals mit Hilfsgütern und Evakuierungszügen in die Ukraine. Den meist jungen tschechischen
Fans ist GPE besser als beliebter Rockmusik-Sonderzug-Organisator der anderen Art bekannt. Dafür nutzt GPE seine eigene Firmen-Submarke „Vlakfest“ („Zugfestival“) als ein persönlich geführtes Liebkind des Eigentümers, Ex-Abenteurers und jetzigen Geschäftsmannes Albert Fikáček. Zuletzt war GPE auch als ein möglicher neuer Betreiber der in Konkurs gegangenen Neuhauser Schmalspurbahnen JHMD in Südböhmen im Gespräch.
Flixbus, Regiojet, ČD und ÖBB als Mitbewerber nach Wien
Doch hat GPE auch genug unternehmerische Professionalität und Standfestigkeit, um im beinharten Bus-/Bahn-Mitbewerbergeschäft zwischen Brünn und Wien zu bestehen? Regiojet, der bisher viele seiner Verbindungen aus Prag zum Flughafen Wien verlängert hatte und auch teilweise vom Magistrat Brünn kofinanziert wurde, stellt diese bis auf Weiteres ein, aber scharrt schon in den Startlöchern, sollte GPE während seines Vertrages bis 2025 die Minimalanforderungen wie Pünktlichkeit, akzeptables und klimatisiertes Wagenmaterial, Ausfallsicherheit (Backups) und Mehrsprachigkeit nicht erfüllen können. Angetreten ist GPE mit der Ankündigung einer ordentlichen Fahrzeitverkürzung um 35 min durch die Umgehung des Hbf. Wien gegenüber seinem bestehenden Mitbewerber, geworden sind es nun nur 15 min. weniger. Dass letztendlich nicht der erfahrenere Regiojet den Zuschlag von Brünn nach Wien zum Flughafen erhalten hat, erstaunte viele Kenner, doch der bekam gleichzeitig andere lukrative Streckenanteile in Tschechien. Nicht, dass Regiojet als Beförderer gerade ein Garant für reibungslose Abwicklung der pünktlichkeitssensiblen Fahrten zum Flughafen gewesen wäre: Nicht immer selbst verschuldete, aber zahlreiche Verspätungen, Zugausfälle, ernste Qualitätsmängel und veraltetes Rollmaterial waren stets durchaus problematisch. Doch punktete er mit Frequenz, Flexibilität, innovativem Bordcatering und unschlagbaren Tarifen im Vergleich zu den teureren Umsteigeverbindungen der ÖBB und der Tschechischen Bahnen.
Unübersichtliche Preisgestaltung nach dem „Airfare-“ bzw. „Sparschiene-Prinzip“
Dumpingpreise gibt es beim GPE allerdings keine, stattdessen ein dynamisches Buchungssystem des Prager Unternehmens „Bileto“, welches sich allerdings bislang nur auf Busreservierungen spezialisiert hatte. (Und bekanntlich ist ein D-Zug auch kein längerer Bus.) Abhängig von Destination und Buchungszeitpunkt liegt der Fahrpreis zwischen 12,20 und 20,60 Euro. Günstiger wird es, wenn nur Teilstrecken wie Stadlau → Břeclav oder Flughafen Wien → Břeclav benutzt werden; auch ist der tschechische Streckenabschnitt vollständig in den Verbundtarif des Landkreises Südmähren integriert. Dagegen ist – wie beim Mitbewerber Regiojet auch – weder eine Integration Stadlau → Flughafen in den VOR-Tarif gewünscht oder gewollt. Vielmehr ist der Zustieg in Wien Stadlau bei der Fahrt Brünn → Flughafen verboten. Umgekehrt sollen am Wiener Flughafen RGJ/RJ/CAT/GPE/REX/S7-verwirrte Touristen davon abgehalten werden, einzusteigen, um nach Stadlau/Brünn mitzufahren. Ein Problem, das schon Regiojet bekämpfte, dort allerdings auf dem Weg zum Hbf. und mit einem langen Zeitpuffer, um etwaige verirrte Fahrgäste auszusieben und wieder loszuwerden. Wer die überfüllten, chaotischen Verhältnisse bei der Zugwahl am Bhf. Flughafen kennt, wenn einmal punktuell die Massen zusammenkommen, dem wünsche ich gutes Gelingen.
Auch wenn das Klimaticket auf österreichischer Strecke anerkannt wird, wirft das die Frage auf, für wen diese Verbindung eigentlich erdacht wurde. Sind es eher nur Brünner Geschäftsreisende und Politiker, die eine bequeme Tagesrandverbindung für ihre Businessclass-Tagesflüge brauchen, wie manche ätzen? Oder auch „Normalos“, also tschechische und österreichische Touristen und Arbeitspendler? Die Wahrheit liegt wohl irgendwo in der Mitte und im Mix von allen.
Der feste Glaube an die Weiterentwicklung des Flughafens Wien treibt an
Die Brünner Stadtverwaltung lässt sich das Prestige-Projekt des „Brünner Flughafenzuges“ ja einiges kosten, Geld, das sie früher in den von allen Airlines verlassenen und vollkommen bedeutungslosen Brünner Flughafen gesteckt hat und das sie jetzt besser investiert glaubt, nachdem der Traum vom eigenen „Flughafen Moravia“ geplatzt und den Brünnern bekanntlich das Hemd (also der Flughafen Wien) als der Rock (hassgeliebtes Prag) näher ist. Dies geschieht auch im Hinblick darauf, dass in Zukunft ein wahrer Run auf den Flughafen Wien zu erwarten ist, mit Direktverbindungen aus Prag durch die Tschechischen Bahnen und nach der Fertigstellung der Flughafenspange mit Anbindung des Wiener Flughafens an Bratislava (Flughafen?) und Budapest.
Was bringt es den Wiener*innen?
Aus Sicht eines durchschnittlichen österreichischen Fahrgastes aus Wien bringt einem das neue Zugpaar recht wenig; Binnenverkehr in Wien ist ja nicht erlaubt, und die Fahrzeiten scheinen auf den ersten Blick unattraktiv. Doch mit ein bisschen Kreativität eröffnen sich neue Wege und Möglichkeiten zwischen Mähren und Tschechien. Wer im Brünner Festival-, Kultur- , Theater- und Kneipenbetrieb länger hängen bleibt, hat jetzt eine komfortable Möglichkeit, es spätnachts wieder nach Wien auf Schienen zu schaffen. Umso mehr gilt das für die Brünner mit selbigen Erlebnissen in Wien, z. B. nach einen Besuch der Staatsoper oder des Wurstelpraters. Eine Nachtzugverbindung Prag – Brünn – Wien wird es ab Dezember 2023 mit dem NJ 457/456 wieder geben. Bis dahin gibt es gute Zubringerzüge Prag → Hbf. Brünn und umgekehrt, die sich mit dem Zugpaar des GPE gut kombinieren lassen. Das weiß GPE natürlich auch und beginnt deshalb ab 1. Juli mit eigenem Buszubringer ab Flughafen Prag ↔ Hbf. Prag ↔ Hbf. Brünn, abgestimmt auf sein eigenes Zugpaar D1135/1136 von/nach Wien. Morgens um 3:35 in Stadlau anzukommen, ist allerdings kein Zuckerschlecken: kein Nachtbus weit und breit und noch lange keine Frühzüge zum Hbf., nach Marchegg oder Bratislava. Glück also, wenn man am Sa/So/Feiertag die Nacht-U-Bahn in Stadlau erwischt. Die Fahrt nach Brünn um 23:49 ab Stadlau ist da unproblematisch, mit guten Zubringern von Hbf. und aus Bratislava.
Die weiteren Pläne des Herrn Albert Fikáček
Interessant sind auch die Ankündigungen von GPE, sich nicht als Mitbewerber von ÖBB, Regiojet oder der Tschechischen Bahnen zu sehen, sondern vielmehr als ihr „Verbündeter“, bereit, zu seinen geplanten 300 Sitzplätzen mit zwei oder drei Wagen die ihrigen anzuhängen oder gar einen Schlafwagen Prag – Wien – Prag zu führen, wie in den guten alten Zeiten. Und wer den umtriebigen Geschäftsmann kennt, bezweifelt auch, dass er seinen Zug nur untätig am Flughafen Wien den ganzen Tag lang in der Sonne stehen lässt. Auf Überraschungen der guten (und vielleicht weniger guten) Art müssen wir uns also noch gefasst machen.