Goldene Libuše

Mitten in der von Touristen überlaufenen Altstadt, wo man in der Regel nur mittelalterliche oder barocke Häuser vermutet, findet sich recht unerwartet in der Karlova 178/22 ein ungewöhnlich prachtvolles Jugendstilgebäude, das man so wohl kaum erwartet. In der Enge der Straße kann man es leider leicht übersehen.

Das Haus zum Goldenen Nagel (Dům u Zlatého Hřebíku) wurde im Jahr 1905 gebaut. Möglicherweise war der Architekt der bekannteste aller Jugendstilmeister Prags, Osvald Polívka (den wir schon unzählige Male würdigten, u.a. hierhierhierhier und hier). Das ist wohl nicht beweiskräftig belegbar. Aber auch ohne den wohlklingenden Namens wirkt das vierstöckige Wohnhaus mit seinen kunstvollen Verzierungen für sich. An der Stelle, wo heute dieses Haus steht, gab es schon im 14. Jahrhundert ein Wohnhaus im gotischen Stil, das im 17. jahrhundert im Renaissancestil umgebaut worden war. Im frühen 18. Jahrhundert gehörte das Haus eine zeitlang dem Reichsgrafen Franz Joseph Czernin von Chudenitz. Im Jahr 1737 wohnte hier – so heißt es – ein Bürger namens Řebík, der in klanglicher Anspielung auf seinen Namen die Abbildung eines goldenen Nagels (hřebík) als Hausschild (zur Erläuterung hier) anbrachte. Damit hatte das Haus dauerhaft seinen Namen weg…

Im späten 19. Jahrhundert erfolgte ein Umbau im Stil der Neorenaissance. Und dieses Haus wurde dann 1900 abgerissen, um dem neuen, heute noch bestehenden Jugendstilbau zu weichen, wobei man den alten Traditionsnamen behielt. Einen Nagel findet man als dekoratives Element auf der Fassade allerdings heute nicht. Das alte Hausschild ist Vergangenheit. Dafür findet man aber viel Gold! Es kommt bei der schon in schlichtem weiß gehaltenen Putz besonders gut zur Geltung. Sowohl große Teile der Stuckaturen, als auch die eisernen Gitterarbeiten sind glänzend vergoldet. Allen voran die zentral positionierte Statue der Fürstin Libuše, die durch ihre Heirat mit Přemysl die in Böhmen über Jahrhunderte regierende Herrscherdynastie der Přemysliden gründete (wir berichteten u.a. hier). Das war fester Teil der tschechischen Nationalmythologie in der Zeit, als das Haus gebaut wurde. Und hier wird der Mythos besonders ansehnlich gefeiert.

Über dem Haupt der würdig auf Höhe des zweiten Stocks thronenden Libuše wächst ein sogenannter Lebensbaum. Der Jugendstil hatte immer auch eine mystische und symbolistische Dimension, weshalb dieses Motiv in der Zeit sehr häufig auftaucht (Beispiele zeigten wir u.a. hier und hier). Besonders verschlungen und mit Rosenblüten ausgeschmückt, ist er ein besonders elaboriertes Exemplar seiner Art. Man erkennt sehr schön, dass das Gebäude noch in der früheren Phase des Jugendstils, dem sogenannten floralen Jugendstil (in dem auch die berühmtesten Häuser Polívkas gestaltet sind), entstanden ist, der sich durch reiche Pflanzenornamentik auszeichnete.

Aber auch sonst kann man den Blick über die Fassade schweifen lassen, um immer wieder neue Details zu erkennen. Etwa die vielen Gesichter, von denen man oberhalb eine Auswahl sieht. Mir gefällt besonders der groteske Affe als Maskaron (links). Alles in Allem hat man hier eines der originellsten architektonischen Werke des Prager Jugendstils vor sich. (DD)

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