Gutes Bier, gutes Fleisch

Dass es Jahrzehnte auf der Prager Kleinseite (Malá Strana) keine eigene Brauerei gab, hat den Kenner wohl immer befremdet und verblüfft. Schließlich ist der Stadtteil ein Touristenmagnet und Touristen, die nach Prag kommen, erwarten extravagante neue Biererfahrungen. Zudem gab es früher eine ins Mittelalter zurückreichende Brautradition (was wir bereits hier erwähnten). Aber endlich, in diesem Jahr, hat die Braukunst wieder Fuß gefasst auf der Kleinseite. In der Karmelitská 373/25 kann man sich in der Pivovar Mikuláš (Nikolaus Brauerei) an bestem Bier delektieren.

Und stolz rühmt man sich, dass man die „první malostranský řemeslný pivovar“ sei – die erste Kleinseitner Handswerksbrauerei. Ihren Namen leitet die Brauerei aus der Tatsache ab, dass sie sich in unmittelbarer Sichtnähe der großen barocken St. Nikolaus-Kirche (Kostel sv. Mikuláše) befindet, die so etwas wie das Wahrzeichen der Kleinseite ist. Das stärkt den Lokalkolorit der Brauerei. Und auch das Gebäude, das man sich zum Standort wählte, ist ein historischer gediegener Ort: Ein Fügel des Palais Vrtba (Vrtbovský palác), ein Barockgebäude, dessen Garten zu den schönsten Prags gehört. Eine noble Lage und sehr zentral gelegen! Die Ecklage lässt zudem auch noch angenehm viel Platz für eine gepflegte Außengastronomie.

Wer viel gutes Bier trinken will, muss zwischendurch auch gut und üppig essen. Da trifft es sich gut, dass der Betreiber und Gründer der Pivovar Mikuláš, Miloslav „Slávek“ Fučík, von Hause aus ein stadtteilbekannter Metzger und Wursthersteller ist. Nur wenige Meter entfernt, in der Tržiště 265/6, betreibt er schon seit längeren mit Erfolg die mit Bistro und Cateringservice ausgestattete Fleischhandlung Masný Krám. Entsprechend ausgezeichnet ist die Fleischqualität ders reichhaltigen Angebots auf der Speisekarte.

Im Oktober 2023 gab es eine bayerische Oktoberfest-Woche, bei der auch eine Weißwurst à la Bavorsko auf das Menu kam – eine Speise, die der böhmischen Küche völlig unbekannt ist. Deshalb bekam man auch die rechts oberhalb abgebildete Wurst serviert – eindeutig keine Weißwurst, sondern eine klassische Bratwurst. Aber nach einem leichten Schmunzeln über diesen offenkundigen Irrtum, musste man nach dem ersten Zubeißen zugeben, dass sie als Bratwurst ausgezeichnet und von hoher Fleischqualität gesegnet war. Einfach lecker.

Na ja, und dann ist da noch das wichtigste: Das selbstgebraute Bier. Den Braukessel (500 Liter) kann man von Außen durch ein Fenster besichtigen (Bild rechts). Bis zu einem Hektoliter Bier kann hier pro Tag gebraut werden. Mindestens sechs Biersorten gibt es auf der Bierliste. Es ist ein vielseitiger Mix von eher modischen Bieren wie Pale Ale und echten Klassikern, wie man sie auf dem großen Photo oben erkennen kann, als da sind (von links nach rechts): Das rötlich-halbdunkle und bayrischen Bieren gut nachempfundene Kracherl, das hefetrübe Kvasnicová mlha und das dunkle (dem Stout ähnliche) Du-Grian. Das Bier gehört jedenfalls zur gehoben Kategorie und muss den Vergleich mit anderen Bieren der Prager Spitzenbraukunst nicht scheuen!

Bis zu 80 Gästen bieten die gemütlichen Gewölbe drinnen Platz, was im Sommer durch die Außengastronomie noch einmal erweitert werden kann. Gerade die richtige Größe für gute Bierseligkeit. Die Braugaststätte wird wohl hauptsächlich von Touristen frequentiert, was der Lage geschuldet ist. Den Vergleich zu einer Hospoda für die Einheimischen braucht sie aber nicht zu scheuen. Und für die Kunstsinnigen bietet das Ganze auch etwas, denn an den Wänden (auch außen) befinden sich einige Kunstwerke des 2017 verstorbenen Bildhauers Olbram Zoubek. Der war vor allem für seine künstlerische Auseinandersetzung mit den Greueln des Kommunismus bekannt – etwa dem Grab von Jan Palach oder dem Denkmal für die Opfer des Kommunismus in Prag. Bei gutem Bier und gutem Fleisch kann man in der in der ersten Kleinbrauerei der Kleinseite, dass er auch Kunst für weniger triste Umgebungen schaffen konnte. (DD)

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