- Hans Weber
- August 16, 2024
Havel: Die Sechste Kopie
Zum heutigen Tag des Kampfes für Freiheit und Demokratie: Es war eine Meldung, die am 17. November 2021, also genau vor einem Jahr, hohe mediale Wellen schlug: Die Enthüllung einer Büste Václav Havels im berühmten Café Slavia (Kavárna Slavia). Und das, obwohl es sich um eine Kopie handelte. Oder vielleicht machte gerade das den Reiz des Ganzen aus?
Das am noblen Smetanovo nábřeží 1012/2 (Smetana Ufer) gelegene Café Slavia, über das wir bereits hier berichtet haben, war in den 1980er Jahren ein Treffpunkt von Dissidenten und Kulturschaffenden (zwei Gruppen, die sich damals stark überlappten), in dem auch Václav Havel gerne verkehrte. Hier, in diesem günstig nahe beim Nationaltheater und dem avantgardistischen Nová scéna, mit dem er besonders verbunden war, fand er Gleichgesinnte, die der grauen Diktatur der Kommunisten überdrüssig waren, und mehr Freiheit einforderten. Außerdem traf er hier Anfang der 1960er Jahre angeblich seine spätere erste Frau Olga (+1996), die er unter anderem in seinen berühmten Briefen an Olga (Dopisy Olze) aus dem Gefängnis verewigte. Und, last but not least, hier zogen 1989, am 17. November, heute ein Staatsfeiertag, die Demonstranten vorbei, die damit den Beginn der Samtenen Revolution einläuteten. Und schon am 29. Dezember sollte Havel – der Schriftsteller, Dissident, Initiator der Charta 77 und Symbol des Widerstands – der erste nicht-kommunistische Präsident des Landes werden.
Ort und Zeit stimmten also: Das Slavia als der Ort und der 17. November 2021 als der geeignete Jahrestag. Zur Einweihung kamen auch noch Havels zweite Frau und Witwe Dagmar Havlová sowie etliche alte Mitstreiter Havels aus der Dissidentenszene und etliche aktuelle Politikgrößen. Veranstaltet wurde die Enthüllung von der Akademie der Bildenden Künste Prag, der Václav Havel Bibliothek und der tschechischen Sektion von Amnesty International organisiert. Die Büste selbst ist ein Werk der bekannten und preisgekönten Bildhauerin Marie Šeborová. Aber: Im Slavia steht eine Kopie des Originals. Gerade das ist der Witz an der Sache. Die ganze Welt mit Büsten von Havel zu bereichern, das ist seit etlichen Jahren der Plan von Bill Shipsey. Der ist für die internationale Menschenrechtsorganisation Amnesty International Chef Initiative Art for Amnesty, die durch die Einbindung und Förderung von Künstlern und Kulturschaffenden für die Sache kultureller Freiheit kämpft. Und für ihn steht fest, dass es kaum je eine Person von solcher Strahlkraft im Dienste der Sache gegeben hat wie Václav Havel.
Und deshalb bemüht er sich seit einigen Jahren rund um die Welt Šeborovás Büste Havels in den Gebäuden wichtiger Institutione naufzustellen. 2015 waren das je eine im irischen Parlament in Dublin und in der Tlatelolco Universität in Mexiko City, 2016 in der Universität von Manitoba in Kanada, 2017 im Europäischen Parlament in Straßburg (wo zugleich das Gebäude, in dem sie nun steht, nach Havel benannt wurde) und 2018 in der Columbia University in New York. Jetzt war endlich Prag und das Café Slavia dran, weil, so Shipsey: „Ich erinnere mich, dass nach der Samtenen Revolution 1989 der Slogan lautete: Havel na hrad – Havel zur Burg. Und ich dachte, jetzt hätten wir vielleicht Havel do kavárny – Havel zum Café.“
Prag war die sechste Kopie, aber eine will Shipsey noch aufstellen lassen. Schon hat Bildhauerin gewarnt, dass die Gussform irgendwann die Belastungen nicht mehr aushalte und kaputtgehen werde. Deshalb wird jetzt nur noch ein Ort ins Auge gefasst. Die Samtene Revolution passierte 1989 schließlich noch in der alten Tschechoslowakei. Und die Slowaken hatten auch ihren gewichtigen Anteil am Erfolg der Samtenen Revolution von 1989. Jetzt sucht man nach einem geeigneten Platz in Bratislava. Ob man da ebenfalls so etwas wie das Café Slavia finden wird? Schließlich, so erinnerte Havels Witwe Dagmar bei der Enthüllung der Büste, sei Václav Havel immer sehr gerne ins Café gegangen. (DD)
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