Immer noch erwünschter Puschkin

Alexander Sergejewitsch Puschkins Platz in der Literaturgeschichte ist immer noch so gesichert, dass in Prag sogar der Platz, an dem seine Büste ihren Platz gefunden hat, nach ihm benannt ist.

Seit 2014 steht der Sockel mit der bronzenen Büste mitten auf dem hier 1925 angelegten Puškinovo náměstí (Puschkin Platz) im Stadtteil Bubeneč, den man im Bild links sieht. Der durchaus dem Zarenregime kritisch gegenüberstehende Puschkin hinterließ der Welt berühmte Dramen wie Boris Godunow (1825), Vererzählungen wie Das Märchen vom Zaren Saltan (1832) oder Romane wie Die Hauptmannstochter (1836) – bevor er, wie es sich für einen romantischen Schriftsteller gehört, bei einem Duell mit einem (vermeintlichen?) Liebhaber seiner Frau aus dem Leben schied. Die Büste hier in Prag schuf schon in kommunistischen Zeiten als „Volkskünstler“ bekannte russische Bildhauer Wladimir Aleksandrovich Surovtsev, der sich besonders auf traditionell realistische historische Motive spezialisiert hat. Vielleicht hätte der eher unkonventionellere Puschkin, der ein bekennender Atheist (damals ein gefährlicher Standpunkt) war und wegen einiger Spottgedichte auf Minster eine zeitlang verbannt wurde, ein unkonventionelleres Denkmal gewünscht.

Aber warum hat Prag eine solche Puschkinbüste? Mit der Stadt verband ihn eigentlich nichts – es sei denn man, denkt sehr in Kurven und Schnörkeln. Hatte nicht Puschkin mit seinem Einakter Mozart und Salieri (1832), in dem Letzterer den Ersteren ermordet, die Inspiration für Peter Shaffers längeres Stück Amadeus (1979) geliefert, das wiederum 1984 von Miloš Forman verfilmt wurde – und zwar in Prag? Nein, das ist zu kompliziert gedacht. Vielmehr befindet sich gar nicht weit von der russischen Botschaft, die hier damals ein wenig ein günstiges Kulturklima in Prag schaffen wollte. Und mit Puschkin ließ sich das ja auch ideologisch unverdächtig machen. Sie ließ das Kunstwerk vom im Jahr zuvor gegründeten Stiftungsfonds der gemeinsamen Russisch-Tschechischen Handelskammer (Nadační fond Rusko-české smíšené obchodní komory) als Stifter finanzieren und stellte es gemeinsam mit der örtlichen Stadtregierung von Prag 6 auf. Puschkin hat Glück gehabt, denn ein paar Jahre später hätte diese Kooperation wohl kaum mehr stattfinden können. Denn schon vor der Ukraine-Invasion näherte sich das Klima zwischen Tschechien und Russland im allgemeinen und Russland und dem Stadtbezirk im speziellen bereits dem Gefrierpunkt.

2020 hatte der Rat von Prag 6 beschlossen, das nahegelegene Denkmal für Marschall Iwan Stepanowitsch Konew zu entfernen, der im Mai 1945 als sowjetischer General die Rote Armee nach Prag führte, aber damit nicht nur als Befreier, sondern auch als Vorbote der Kommunistenherrschaft in die Geschichte einging. Und im selben Jahr benannte man den Platz vor der russischen Botschaft nach dem mutmaßlich von Putins Schergen ermordeten Dissidenten Boris Nemzow. Dass man nach dem brutalen Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 die andere Straße, die an der Botschaft vorbeiführt und nunmehr von der Botschaft als „Ersatzadresse“ verwendet wurde, in Straße der Ukrainischen Helden (ul. Ukrajinských hrdinů) umbenannte, führte zu einer weiteren Abkühlung des Verhältnisses zwischen der der Botschaft und der Stadtregierung, die immer wieder klar macht, dass sie auf der Seite der Freiheit steht. Mit der Botschaft gemeinsam ein Kulturdenkmal aufzustellen, würde man heute wohl zu Recht ablehnen.

Heute mutet es schon ein wenig merkwürdig an, hier am Sockel in güldenen Lettern die Botschaft und Prag 6 gemeinsam verewigt zu sehen. Aber damals schrieb man halt das Jahr 2014. Da waren die Beziehungen vielleicht nicht immer ganz innig (die Erinnerung an den Einmarsch von 1968 hat man hier noch in unguter Erinnerung), aber doch so, dass man für einen großen russischen Dichter gerne mal die Fünf gerade stehen ließ. Und so wurde der aufmüpfige Puschkin, der sicher an Putin keinen Gefallen gefunden hätte (und umgekehrt), kein Opfer von politischen Umständen, an denen er keine Schuld trug.Und so scheint Puschkin hier der noch immer erwünschte Literat sein. (DD)

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