Jugendstilhotel mit Muskelprotzen

Schon der Name Art Nouveau Palace Hotel weckt die dann auch nicht falsch liegende Erwartung, dass es sich hier um ein Bauwerk im Stil des Art Nouveau – auf Deutsch: Jugendstil – handelt.

Der war groß in Mode, als das Hotel zwischen 1903 und 1909 recht nahe des Wenzelsplatzes in der Panská 897/12 (Altstadt) anstelle eines früheren Palais‘ aus dem 18. Jahrhundert erbaut wurde. Am 21. April 1909 wurde es feierlich eröffnet. Verrantwortlich für das vierstöckige Gebäude war František Buldra, ein Architekt und (seit 1887) Bauunternehmer, dem man unter anderem das weltbekannte Café Louvre in der Prager Neustadt verdankt. Der war aber zugleich auch noch ein erfolgreicher Hotelier und er sollte das Hotel auch gleich als Besitzer selbst betreiben. Bei den Plänen für das Hotel, das zunächst nur Palace Hotel hieß, stand ihm sein Architektenkollege Jiří Justich (den wir schon hier und hier kennenlernten) beiseite.

Buldra managte das Hotel bis zwei Jahre vor seinem Tod 1926. Im Jahre 1924 wurde das Hotel von dem Großhotelier Emanuel Oppel übernommen (der alleine in Prag drei große Hotels besaß). Der führte sogleich kostspielige Umbauarbeiten durch und möbelte das bisher gut bürgerliche Hotel zu einem Luxus-5-Sterne-Hotel auf. Neben dem Hotel Evropa am Wenzelsplatz wurde das Hotel bald zu dem schicken Anlaufplatz für alle Reichen und Schönen und alle Prominenten in den goldenen Jahren der Ersten RepublikJosephine Baker übernachtete hier zum Beispiel, als sie 1932 als Tänzerin und Sängerin im nahen Lucerna Palais (wir berichteten hier) ihre großen Auftritte hatte und das Publikum begeisterte (was sie übrigens 1970 wieder tat). Zwei von unzähligen anderen Größen, die hier übernachteten, seien erwähnt, nämlich die Opernsängerin Ema Destinnová und der Opernsänger Enrico Caruso. Nach beiden sind drinnen Säle benannt.

Die Glanzzeit wich dem Grau, als die Kommunisten 1948 zuerst Staat den Staat und bald darauf das Hotelwesen übernahmen. Das Hotel kam arg herunter und 1986 war es so baufällig, dass man es schließen musste. Aber irgendwie hatten selbst die geschäftsuntüchtigen Kommunisten das durchaus zutreffende Gefühl, dass dieses Hotel potentiell eine Luxus-Goldgrube sein könnte, die devisenstarke westliche Ausländer anlocken könnte. Also machte man sich daran, den Laden gründlich zu renovieren und umzubauen. 1989 – kurz bevor der Kommunismus endete – eröffnete man wieder. Rechtzeitig zur neuen Zeit von Demokratie und Kapitalismus ging das Art Nouveau gestärkt einer neuen und erfolgsgeladenen Ära als Luxus-Hotel entgegen.

Seither drückt sich hier die Prominenz wieder die Klinken in die Hand. Darunter sind Leute, die so bekannt sind, dass sie für das Publikum nicht mal einen vollen Namen brauchen, wie PeléNena oder Cher. Manchmal kommen sie gleich gruppenweise, wie etwa die Rolling Stones oder Led Zeppelin. Oder sind einfach nur so berühmt, wie Henry KissingerSteven Spielberg oder John Malkovich, um nur einige zu nennen. Verständlich: Denn in der besten Lage in Prag – zentral, aber ruhig – gelegen, macht das Hotel schon einen kolossalen Eindruck.

Gott sei Dank, kann man nur sagen. Der Denkmalschutz garantierte immerhin, dass die Außenfassade im originalen (jugendstiligen) Zustand erhalten werden musste. Im Inneren jedoch wurde das Gebäude so entkernt, dass man von einem neuen Haus in alten Mauern reden könnte. Immerhin geschah die neue Innenausstattung recht geschmackvoll in einem nicht aufdringlichen konservativen Stil, der ein wenig an die Geschichte anknüpft. Vereinzelt wurden auch ursprüngliche Bauelemente und Ornamente beibehalten. Nur das Atrium wurde völlig neu in modernem Stil mit abstrakten Motiven bei den Deckenleuchtern dekoriert und ist somit von Atrien neuerer Hotels ununterscheidbar.

Und dann ist da sowieso noch die Fassade. Als erstes fallen dem Besucher dabei sicher die großen, Lampen in den Händen haltenden männlichen Statuen rechts und links neben dem Eingang auf. Eine von ihnen sieht man auf dem großen Bild oben. Als das Hotel eröffnet wurde, war die Zeit des üppigen floralen Jugendstil vorbei, um dem strengeren und weniger ornamentalen geometrischen Jugendstil zuweichen. Tatsächlich sind die floralen Elemente und die stiltypischen Maskaronen sehr zurückhaltend eingesetzt. In dieser Spätphase des Jugendstils waren symbolistischSet featured image daherkommende Muskelprotze mit Lendenschurz irgendwie der letzte Schrei (wir brachten u.a. ein Beispiel hier). Sie bilden eine Art großes „Empfangskommando“ für alle die Prominenten oder nicht ganz so Prominenten, die hier im Hotel Art Nouveau Palace eine temporäre Bleibe suchen.

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