Kleine Erfindung, großer Fortschritt

Zu den Segnungen der Industriellen Revolution gehört nicht zuletzt auch die technische Bewältigung der Probleme der Wasserversorgung in großen Städten. Die tradtionellen Methoden der Wasserversorgung in Prag – Wassermühlen im Uferbereich oder Brunnen – warfen immer wieder Hygieneprobleme auf und erwiesen sich bisweilen als Seuchenherde. Ab 1882 begann man (zuerst in Vinohrady) mit dem systematischen Aufbau eines Wasserleitungsnetzes. Erst kurz vor dem Ersten Weltkrieg begann man dann mit der Aufbereitung von trinkbaren Wasser.

Aber das musste ja nun vom wassernutzenden Kunden bezahlt werden. Und dazu benötigte man eine kleine, aber geniale Erfindung – den Wasserzähler. Er ermöglichte die Feststellung der tatsächlichen Verbrauchs am kostbaren Nass und erlaubte die Umlegung von Kosten auf den Nutzer. Und so findet man in der Komunardů 1052/3 im Stadtteil Holešovice, direkt neben den Prager Markthallen (die damals noch der Schlachthof waren, wie wir hier berichteten) ein kleines Industriedenkmal, dass uns an diesen kleinen technischen Schritt erinnert, der doch ein großer für die Menschheit war.

Es handelt sich um eine Wasserzählerfabrik (továrna na vodoměry), oder wie stolz die Fassadenbeschriftung verkündet, die „Erste Böhmische Wasserzählerfabrik“ (První česká továrna na vodoměry). Die hatte schon 1884 ein kaufmännisch begabter Ingenieur namens Adolf R. Pleskot in der Neustadt gegründet. Aber das dortige Areal war zu klein, vor allem, nachdem es Pleskot 1892 gelungen war, der exklusive Lieferant der königlichen Hauptstadt Prag für Wassermessgeräte zu werden. Und so erwarb er 1910 von dem Geschäftsmann Jindřich Vaňha, der auch als Bauunternehmer agierte, das passende Grundstück in Holešovice, wo er nun eine größere Fabrik aufbaute. Die kombinierte er übrigens mit seiner Villa im Neorenaissancestil, die genau an der Ecke des Komplexes liegt. Diese Integration von Wohnanwesen und lauter Produktionsstätte, die uns heute eher seltsam vorkommt (reiche Leute leben jetzt lieber im Grünen), war damals nicht unüblich (ein Beispiel brachten wir bereits hier).

Was die Wassermesstechnik anging, so bereicherte Pleskot sie durch zahlreiche Verfeinerungen und Patente, die zu seinem Vermögen beitrugen. Später kamen noch Gaszähler in die Produktionspalette. Aber der Fairness halber muss gesagt werden, dass er nicht der Erfinder des Wasserzählers selbst war. Diese Ehre gebührt einem gewissen Sir William Siemens, der ursprünglich Karl Wilhelm Siemens hieß, und der berühmten deutschen Industriellenfamilie Siemens angehörte, sich aber in England ansiedelte. Er machte sich im Laufe der Zeit so um die britische Wirtschaft verdient, dass er 1859 britischer Staatsbürger und kurz vor seinem Tod 1883 zum „Sir“ erhoben wurde. Der Wasserzähler, den er 1851 erfand, war nur eines seiner vielen Patente.

1926 wurde Pleskots Fabrik noch um ein zweistöckiges Produktionsgbäude (entworfen von dem Architekten Josef Vajshajtl) ergänzt. Als Pleskot 1933 starb hinterließ er seinem Sohn Adolf Pleskot jr. ein florierendes Geschäft, das auch weiter florierte bis 1948 die Kommunisten an die Macht kamen. Sie enteigneten Pleskot und verstaatlichten die Firma. Als der Kommunismus 1989 gottlob von der Bühne abtrat, dauerte es noch eine Weile bis das Ganze an einen Nachfahren restituiert werden konnte. Der neue Eigner, Josef Pleskot, war aber nicht im Wasserzählergeschäft tätig, sondern ein renommierter Architekt. Er baute im Jahr 2000 das denkmalgeschützte Gebäude unter behutsamer Wahrung des ursprünglichen Charakters in sein Architekturstudio um. Blitzblank sieht es aus – ein Schmuckstück des alten, sich aber rapide gentrifizierenden Industrieviertels Holešovice. Zu Ehren des Gründers des Wasserzählerwerks hat er sein Studio AP Atelier genannt – AP für Adolf Pleskot. (DD)

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