Komponist mit zwei Gedenktafeln

Er gehörte zu den wichtigsten musikalischen Vertretern der späten Wiener Klassik und der Frühromantik überhaupt – und nicht nur in Böhmen, auch wenn er heutzutage über die Grenzen des Landes kaum mehr so bekannt ist, wie er es vielleicht verdient hätte: Václav Jan Křtitel Tomášek, oft auch auf Deutsch Wenzel Johann Baptist Tomaschek geschrieben. Und deshalb befinden sich in an der Fassade des Hauses in der Tomášská 15/15 auf der Kleinseite, in dem er von 1824 bis zu seinem Tode 1850 lebte, auch zwei Gedenktafeln – eine in Tschechisch und eine in Deutsch.

Die wurden 1874 zum 100. Jahrestags der Geburt Tomášeks hier angebracht und sind ein Werk des Graphikers und Lithographen Otto Sandtner. Die Zweisprachigkeit entsprach nicht nur dem politischen Selbstverständnis des Habsburgerreichs als Vielvölkerstaat zu dieser Zeit. Tomášek selbst war auch selbst gleichermaßen im tschechischen und deutschen Kulturlebens in Prag zu Hause. Er verkehrte freundschaftlich mit Geistesgrößen des tschechischen Nationalismus, wie dem Historiker František Palacký (auch hier), war aber auch ein Bewunderer der deutschen Kultur, der sich 1822 mit Goethe traf und dessen Gedichte als Lieder vertonte, wobei Goethe ihm sogar attestierte, dass seine Vertonungen ihm kongenialer erschienen als die von Beethoven komponierten.

Seine musikalischen Einflüsse waren ebenfalls vielfältig. Über Mozarts Freund und Prager Gönner, dem Komponisten František Xaver Dušek (siehe früheren Beitrag hier) lernte er das Werk Mozarts kennen und wahrscheinlich lernte er auch bei Dušek das Klavierspiel. Beethoven hatte er schon 1796 kennengelernt, als dieser eine zeitlang in Prag weilte (wir berichteten hier). 1814 besuchte er ihn mehrfach in Wien. Und in vielen seiner Werken ist auch der Einfluss von Beethoven durchaus spürbar. Und Tomášeks Werk ist an Qualität und Vielfältigkeit kaum zu überbieten, so dass hier nur einige Beispiele genannt werden, etwa sein berühmtes Klavierkonzert Nr. 1 in C-Dur (1803), die Klaviersonate in Es-Moll (1805/06), oder die Vertonung von Gottfried August Bürgers Gedicht Lenore (1805), die leider vergessenen Opern Seraphine (1811) und Alvaro (1816, unvollendet), Orchesterwerke wie die Symphonie in D-Dur (1807), Chorwerke wie das Requiem in C-Moll (1820) und vieles mehr.

Im Jahr 1824 heiratete er die um 25 Jahre jüngere Wilhelmine Ebert, die Tochter des damals bekannten Dichters Karl Egon Ebert. Mit er zog er sogleich in jenes Haus ein, an dem sich die Gedenktafeln befinden, das sogenannte dům U Klárů (Klar Haus), das nach dem damaligen Besitzer Paul Alois Klar benannt ist, der wiederum Sohn des Pädogogen und Gründers der Prager Blinden-Erziehungs-Anstalt Alois Klar war. Über die Zeit ist Tomášek, der hier mit seiner Frau zur Miete einzog, der bekanntere geblieben, weshalb man das dreistöckige Haus oft auch gleich Tomáškův palác (Palais Tomášek) nennt. Das Haus steht auf mittelalterlichen Fundamenten, wurde aber zuerst 1723-25 und dann vor allem 1770 durchgehend barockisiert. Die recht beeindruckende, aus dieser letzten barocken Bauphase stammende siebenachsige Fassade mit dem zentralen Risaliten ist reich mit Stuck geschmückt.

1846 verfasste Tomášek noch eine Autobiographie, die in mehreren Folgen in einer Zeitschrift erschien Zu diesem Zeitpunkt galt er als eine der zentralen Figuren des Prager Musiklebens. Zahlreiche seiner Schüler sollten es zu Bekanntheit bringen, etwa der Pianist und Komponist Alexander Dreyschock, der Komponist Johann Friedrich Kittl (der eine zeitlang als Untermieter im Hause Tomášek einzog und sich dort wohl mit einem gewissem Erfolg an Frau Tomášek heranmachte), die Sängerin, Pianistin und Schauspielerin Constanze Geiger oder der bekannte Musikkritiker Eduard Hanslick (ein gnadenloser Kritiker Wagners). .Als Tomášek starb, wurde er auf dem Kleinseitner Friedhof (Malostranský hřbitov) im Stadtteil Smíchov, über den wir bereits hier berichteten, begraben. Sein Grabdenkmal mit einer großen, in Stein gemeißelten Leier gehört zu den größten und auffälligsten dort – ein Sinnbild für die historische Bedeutung, die Tomášek für die Musik der Tschechen hatte. (DD)

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