Komponist statt Müller

Heute eher Spezialisten bekannt, gehörte er in seiner Zeit zu den größten und angesehensten Komponisten überhaupt – vergleichbar mit seinem Zeitgenossen und Freund Mozart.

Und in der Tat: Josef Mysliveček hinterließ ein umfangreiches Werk, das u.a. drei Messen, acht Oratorien, 21 Sinfonien und satte 29 Opern – von seinem Erstling Semiramide (1766) bis zum letzten Werk Antigono (1780). Er, der wegen seiner Liebe zur Musik als unternehmerische Erbe seines reichen Vaters ausschlug und sich auszahlen ließ, wurde schon bald in Italien zum gefeierten Star. Das sollte etwas heißen, denn die Italiener waren damals die Musiknation Nr.1 und tendierten dazu, auf ausländische Komponisten ein wenig herabzuschauen. Aber er galt als so einfallsreich und handwerklich begabt, dass er das Land im Sturm nahm. Und das trotz seines für Italiener unaussprechlichen Namens, den man eher schlecht als recht in „Giuseppe Misliweczek“ einitalienisierte. Lieber nannte man ihn gleich Il Divino Boemo – den göttlichen Böhmen. Mozart lernte er 1770 erstmals kennen und beide Komponisten achteten einander sehr. Mysliveček versuchte sogar – allerdings vergeblich – dem jüngeren Freund Engagements in Italien zu vermitteln, was dessen Prestige erhöht hätte. Rückwirkend betrachtet war es vielleicht gut, dass sich Mozart dann doch eher in Wien und Prag ausleben konnte, weil dies ihn zu einem der bedeutenden Begründer der deutschen Operntradition machte, beginnend mit der Oper Die Entführung aus dem Serail (1782). Überhaupt schien Mysliveček ein recht großzügiger Mensch gewesen zu sein, was einer von etlichen Gründen (darunter möglicherweise ein Liebesleben, das ihm wohl den Tod durch Syphilis bescherte) gewesen sein mag, dass er 1781 in bitterster Armut starb.

In neuerer Zeit hat das öffentliche Interesse an dem Komponisten weltweit durch den 2022 in die Kinos gebrachten tschechischen Film Il Boemo zugenommen, bei dem Petr Václav Regie führte und Vojtěch Dyk die Titelrolle spielte, und der wiederum musikalisch-fachlich durch den Musikhistoriker Daniel E. Freeman beraten wurde. In Prag war er allerdings nie ganz vergessen, wovon die hier vorgestellte Gedenktafel mit einem Reliefportrait des Komponisten zeugt, die am Erdgeschoss des Hauses in der Novotného lávka 200/3, direkt am Ufer der Moldau angebracht ist. Sie wurde 1989 hier installiert und ist ein Werk des akademischen Bildhauers Jiří Kryštůfek, den wir bereits hier erwähnten. Der Text auf der Tafel lautet (in Übersetzung): „An diesem Ort verbrachte der tschechische Komponist Josef Mysliveček seine Jugend“. Was stimmen mag, aber nicht in dem heute hier befindlichen Haus, an dem die Tafel angebracht wurde. Denn das wurde 1883 abgerissen. Dort, wo man heute das ehemalige Altstädter Wasserwerk und das kleine Restaurant mit der Tafel sieht, befand sich eine der etlichen Mühlen, die dem Vater des Komponisten, Matěj Mysliveček, gehörten. Im Jahre 1749 hatte der Vater die nach dem Dreissigjährigen Krieg erbaute Kutil Mühle (Kutilův mlýn) in Erbpacht erworben, die deshalb später auch bisweilen Mysliveček Mühle (Myslivečkovský mlýn) genannt wurde.

Sohn Josef wurde aber wahrscheinlich in der Sova-Mühle auf der Kampa-Insel geboren, in deren Gemäuern sich heute das Kampa Museum für moderne Kunst befindet. Die kann man von hier aus sehen, denn sie liegt auf dem gegenüber liegenden Ufer der Moldau. Dass der junge Josef aber schon bald hierhin in die alte Kutil Mühle gebracht wurde, um dort einen Teil seiner Jugend zu verbringen, ist durchaus wahrscheinlich. Und deshalb hängt hier an dem Gebäude, dass an der Stelle des originalen Mühlenhauses von Vater Mysliveček steht, die bronzene Gedenktafel zu Recht. Und für den Fan böhmischer Musik lohnt sich der Gang hierher sowieso. Denn ganz nah neben der Tafel befindet sich seit 1924 ein großes Denkmal Bedřich Smetana, dem großen tschechischen Nationalkomponisten (bekannt durch die Moldau). Das fällt den meisten Besuchern mehr auf als die kleine Tafel für Mysliveček (im Bild links mit dem Smetana-Denkmal sieht man es im Hintergrund). Allerdings gibt es in diesem Falle keine biographische Verbindung zwischen dem Ort und Smetana. In dem alten Wasserwerk, das zum Areal der früheren Mühle von Vater Mysliveček gehört, befindet sich heute ein Smetana Museum. Das hätte den musikbegeiserten jungen Josef Mysliveček sicher mehr interessiert als das Müllergewerbe, das hier zu seiner Zeit betrieben wurde, und das er von seinem Vater nicht übernehmen wollte. (DD)

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