Lannas Landvilla

Wer in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfolgreich ins Eisenbahngeschäft einstieg, konnte sich eine solche Villa samt großem Garten leisten. Zumindest war das bei dem Industriellen Karl Adalbert, Freiherr von Lanna der Fall.

Karl Adalbert Lanna – zum Freiherrn wurde er erst 1908 erhoben, also ein Jahr vor seinem Tode – wird in seiner Villa auch heute noch geehrt, befindet sich doch ein Portrait an prominentem Platz über dem Kamin der Eingangshalle. Gemalt wurde es 1880 von dem Wiener Maler Hans Canon (eigentlich Johann Baptist Strašiřipka). Lanna hatte das von seinem Vater geerbte Unternehmen im großen Stil ausgebaut und vergrößert. Er hatte großen Anteil an der Verdichtung des Eisenbahnnetzes in Böhmen (etwa durch die Böhmische Nordbahn, die wir bereits erwähnten), aber sorgte auch dafür, dass Böhmen mit anderen Teilen des Habsburgerreichs und auch mit Deutschland gut verbunden wurde. Obendrein sorgte er mit umfangreichen Maßnahmen zur Kanalisierung der Moldau und durch den Bau von Schleusen zwischen 1896 und 1906 dafür, dass der Fluss von Prag bis zur Mündung in die Elbe schiffbar wurde.

Zudem war er als großzügiger Kulturmäzen bekannt Das Prager Kunstgewerbe-Museum (Umělecko-průmyslové museum), über das wir hier berichteten, verdankt zum Beispiel seine Existenz weitgehend seinen Spenden. Der dem zugrunde liegende Kunstsinn schlug sich auch beim Bau seines Domizils an, das er sich in den Jahren 1868 bis 1872 bauen ließ. Bei der Villa Lanna (Lannova vila) im heutigen Stadtteil Bubeneč (in der V Sadech 1/1, Prag 6) handelte es sich um einen historisch bedeutenden Pionierbau. Sie war das erste Haus in Böhmen, das im Stil der Neorenaissance erbaut wude – ein Stil, der erst ein Jahrzehnt später zu einer Art populären Nationalstil im Lande wurde.

Die signierten Originalpläne sind nicht mehr erhalten, aber man ist sich weitgehend sicher, dass es sich um ein Werk des bekannten Architekten Vojtěch Ignác Ullmann (über den wir bereits u.a. hierhier und hier berichteten) handelt, der es möglicherweise zusammen mit seinem Schwiegersohn Anton Viktor Barvitius entwarf, der später als einer der bedeutendsten Vertreter der böhmischen Neorenaissance wurde (bekannt etwa für den Bau der Gröbe Villa in Vinohrady). Stilistisch ließ man sich dabei an den Landhäusern der italienischen Renaissance inspirieren, die wir vor allem dem Architekten Andrea Palladio aus dem 16. Jahrhundert verdanken. Dazu gehört die Gartenanlage, der Säulenportikus und die mehrstöckige luftige Veranda zum Garten (Bild oberhalb links).

Das war bewusst so gewählt, denn es sollte ja auch ein Land- und Sommerhaus sein. Damit setzte es sich von dem kurz zuvor zentrumsnah in der Neustadt für Lanna erbauten Lannův palác (Lanna Palast), der ebenfalls ein Neorenaissance-Gebäude war, aber passend von venezianischen Stadtpalästen beinflusst war. Wir berichteten bereits hier. Der heutige Stadtteil Bubeneč gehörte damals noch nicht zu Prag und war eher ländlich dörflich strukturiert. Die Villa wurde daher eine Art Rückzugsort für den Industriellen und seine Familie. Mit der Zeit wurden in der Umgebung immer mehr Villen der Reichen und Schönen gebaut, die Lannas Beispiel folgten. Währenddessen expandierte Prag und 1922 wurde das nun verstädterte Areal auch formell in die Stadt integriert. Dank der vielen Villen ist Bubeneč heute der Stadtteil mit den meisten Botschaften und Botschaftsresidenzen, die hier palastartige Gebäude finden, die sich hervorragend zu Repräsentationszwecken nutzen lassen.

Lannas Villa ist dabei immer noch eines der Highlights. Das merkt man auch an der Innengestaltung, für die der Industrielle die Crème de la Crème der damaligen Künstlerschaft anheuerte. Die meisten großen Wandgemälde stammen von Viktor Barvitius, dem Bruder des Architekten, nach sie nach Vorlagen des großen böhmischen Malers Josef Manes anfertigte. Aber viele dekorative Malereien wurde nauch von bekannteren Malern gemalt, darunter der Wiener Maler Hans Makart und der preußische Maler Adolph Friedrich von Menzel, um nur einige zu nennen. Stilistisch ist das Innere mit dem Äußeren abgestimmt, denn der Stil der Neorenaissance zieht sich wie ein roter Faden durch die Gestaltung des Hauses, das somit fast ein Gesamtkunstwerk ist. Konsequenterweise dominieren bei drei der vier repräsentativen Salons auch die typischen antiken Motive.

Der große Saal ist nach dem antiken Gott der Künste, der Wissenschaften und des Lichts Apollon benannt. Ihm sind daher auch die großen Wandgemälde im Raum gewidmet, die zum Teil eher pastorale Szenen mit dem Gott, aber auch bekannte Mythen zeigen, wie zum Beispiel Apollos Kampf gegen die Höllenschlange Python, die er gekonnt mit Pfeil und Bogen erledigt (Bild rechts). Ein anderer Raum ist der Liebesgöttin Venus gewidmet, weshalb die Malereien sich ihrer Mythologie widmen, etwa der Meeresschaumgeburt oder dem Urteil des Paris. Ein ander Raum, der anscheinend dem leiblichen Wohl dienen sollte, ist Bacchus, dem Gott des Weines gewidmet. Neben den Gemälden beeindrucken vor allem die sie umgebenden floralen Ornamente. Interessant ist jedoch der vierte Raum, der heute als Restaurant für Gäste dient.

Es handelt sich um den Traunsee Salon. Der Traunsee liegt natürlich nicht im alten Griechenland, sondern im heutigen Österreich. Auch die Gemälde zeigen eher zeitgenössische bäuerliche Idyllen, vor allem aber die großartige Berglandschaft um die See herum – auch wenn das Ganze stilistisch zur Neorenaissance passt. Warum der Traunsee? Der war der ursprüngliche Herkunftsort der Familie Lanna, die ursprünglich Lahner (so noch der Urgroßvater) hieß und später den Namen ein wenig böhmisch anpasste. So hat Lanna in Prag seiner Heimat ein Denkmal gesetzt

Lannas Sohn Adalbert Franz Josef, Freiherr von Lanna, der das Anwesen nach seines Vaters Tod 1909 erbte, lebte hier nur vier Jahre, um dann nach München zu ziehen. Also verkaufte er 1913 Villa und Garten an den Architekt Alois Potůček, der in der unmittelbaren Nachbarschaft selbst einige prächtige Villen gebaut hatte. Der starb aber schon 1914 und die Erben verkauften es 1916 an Vojtěch Zikmund. Der war ein Raffineriebesitzer und spielte als Hersteller von Autobenzin eine wichtige Rolle bei der Motorisierung des Landes. Es mutet fast wie eine Ironie der Geschichte an, dass ein Industrieller, der den Vormarsch des Autos, dass zu einem großen Teil die Eisenbahn verdrängen sollte, nun in der Villa eines Eisenbahnmagnaten leben sollte.

Es folgten im Laufe der Zeit noch andere weniger bekannte Besitzer. Dann, im Jahre 1948 enteigneten und verstaatlichten die gerade an die Macht gekommenen Kommunisten die VIlla, die dann eine zeitlang von den staatlichen Tschechoslowakischen Baubetrieben (Československých stavebních závodů) genutzt wurde. 1957 gingen das Gebäude und der Garten in den Besitz der Akademie der Wissenschaften (wir berichteten hier) über, die hier bis heute ein repräsentatives Zentrum für besonders hochrangige wissenschaftliche Seminare und Workshops betreibt.

Die Räumlichkeiten können auch für Festivitäten gemietet werden. Auch für die Unterbringung der Teilnehmer im Haus oder in kleineren modernen Nebengebäuden ist gesorgt. Letztere sind so geschickt hinter der Villa versteckt, dass sie den Gesamteindruck von Haus und Garten nicht stören. Café, Restaurant und Gartenbistro sind öffentlich zugänglich. Der Garten selbst wurde übrigens gut restauriert und ist einem klassischen Renaissancepark nachemfunden. Die Akademie hat das Ganze durch witzige moderne Skulpturen aufgelockert (Bild oberhalb rechts).

Wo wir beim Witzigen sind: Vom Garten aus kann man sehr schön die von Viktor Barvitius gemalten Fresken im unteren Portikus betrachten. Die entsprechen wohl dem Witz, aber auch dem positiven Weltbild des ursprünglichen Besitzers. Der vetrat Werte wie Fleiß und Schaffenskraft. Auf den Fresken werden die dann von kleinen albernen Putten und Zwergen personifiziert. Mit gefielen vor allem die links abgebildeten Zwerge, die Erz abbauen, die dann dem Eisenbahnbau zu Gute kommen sollen. Sie sind ein kleines Denkmal jener großen Industriellen Revolution, die Lanna vorangetrieben hatte. (DD)

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