Liebe und Wahrheit in Košíře

Heute ist der 6. Juli. Das ist der Tag der Verbrennung des Jan Hus (Den upálení mistra Jana Husa) und ein Staatsfeiertag (arbeitsfrei!) in Tschechien. Einer, bei dem man des der Frühreformators Jan Hus gedenkt, der am 6. Juli 1415 auf dem Konzil von Konstanz trotz Zusicherung freien Geleites als „Ketzer“auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Hus kämpfte gegen die weltliche Macht und den weltlichen Reichtum der Kirche und predigte in Tschechisch, damit auch das Volk ihn verstand. Damit wurde er für die Nachwelt nicht nur ein Glaubensmärtyrer, sondern auch so etwas wie ein politischer Nationalheld. So ist der heutige Feiertag (da unterscheiden die Tschechen fein) auch kein religiöser Feiertag, sondern ein Staatsfeiertag. Und fast jede politische Strömung im Lande versuchte Hus als einen der „ihren“ zu reklamieren – von der antihabsburgischen/liberalen Nationalbewegung des 19. Jahrhunderts (Beispiel hier) bis zu den Kommunisten (hier).

Aus der Ferne könnte man das Denkmal des Jan Hus in Košíře (Pomník Jana Husa Košíře) für ein Werk aus der Zeit der Kommunismus halten. Auf einer nüchtern gehaltenen quaderförmigen Säule erkennt man ein im realistischen, d.h. nicht-abstakten Stil gehaltenes ein Kopfportrait. Erst, wenn man näher kommt, verraten die sehr expressionistischen Gesichtszüge, die sich deutlich von dem starren und leblosen Heldenkult des sozialistischen Realismus unterscheiden, dass es sich definitiv um ein vorkommunistisches Werk der Moderne handeln muss. Und tatsächlich stammt das Kunstwerk aus den Zeiten der Ersten Republik, genauer: aus dem Jahr 1927. Die Skulptur stammt von dem bekannten Bildhauer Karel Pokorný (wir erwähnten ihn u.a. hier und hier), eine Schüler von Josef Václav Myslbek, dem wir die große Reiterstatue des Heiligen Wenzel (früherer Beitrag hier) auf dem Wenzelsplatz verdanken. Der steinerene Sockel wurde von dem Maler, Bühnenbildner und Architekten Alois Wachsman entworfen.

 

Pokorný stellte dabei Hus so dar, dass Leiden und Erschöpfung sich mit seinem Grundverständnis verbanden, dass Wahrheit und Liebe aus Gott heraus kommen. Die religiöse Botschaft, die hier unterschwellig vermittelt wird, wäre den Kommunisten später gewiss fremd gewesen, so wie Hus die (atheistischen) Kommunisten fremd gewesen wären – aber er konnte sich ja nicht mehr gegen den Missbrauch seines Namens wehren. Die Botschaft, die Hus hier bereit hält, steht in bronzenen Lettern auf dem Sockel, nämlich die Inschrift: „Pravdy každému přejte“. Das ist eine verkürzte Fassung eines Zitats aus einem Brief, den Hus am 10. August 1415 noch kurz vor seiner Hinrichtung aus dem Konstanzer Gefängnis schrieb: „Milujte se, pravdy každému přejte“ (Liebet einander, wünscht allen die Wahrheit).

 

Das Denkmal – eines von unzähligen im ganzen Stadtgebiet von Prag – befindet sich im Hus Garten (Husovy sady) im Stadtteil Košíře (Prag 5). Der Park ist recht klein und sicher nicht der ansehnlichste in der Stadt. Er gewinnt dadurch, dass er recht hübsch vor einem bewaldeten Hügel gelegen ist, der hinauf nach Smíchov führt. Er entstand um die Zeit, da auch das Denkmal hier aufgestellt wurde. Cineasten mögen ihn vielleicht kennen, weil er einer der Hauptdrehorte für den Kinder-Detektivfilm  Případ Lupínek (Der Fall Lupínek) von 1960 war. Heute gehört der Park aber wieder dem Namensgeber alleine, dem tschechischenNationalmärtyrer Magister Jan Hus. (DD)

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