Nikolaus‘ unheimliche Begleiter

6. Dezember: Heute ist der Tag des Heiligen Nikolaus von Myra (Svatý Mikuláš z Myry). Die Kinder freuen sich schon auf ihn. Obwohl… Hmmm, nun ja, vielerorts kommt er in Begleitung. Und die ist nicht immer ganz so nett zu den Kindern. Gerade in Tschechien hat der Nikolaus anscheinend ein besonders großes und oft recht merkwürdiges Gefolge. Das stellen wir hier vor.

Begleiter kennt der Nikolaus auch anderswo. In Deutschland etwa Knecht Ruprecht, wobei der anscheinend wegen seiner unartige Kinder bestrafenden Funktion bei politisch korrekten Sauertöpfen in der Kritik steht. Oder man kennt den niederländisch-flämischen Zwarte Piet (Schwarzer Peter), der gar völlig unter Beschuss steht und vor seiner Abschaffung steht. Aber in Tschechien ist das Mindeste, das man bei Auftritten finden kann, das Trio Mikuláš, Čert und Anděl – Nikolaus, Teufel und Engel (man sieht sie rechts in Lebkuchenform). Die hatten wir schon hier vorgestellt. Die Begleiter wirken dabei arbeitsteilig mit den jeweiligen Zuständigkeiten des Belohnens (Engel) und Bestrafens (Teufel) von Kindern, je nachdem, wie sie sich im Jahr verhalten hatten.

Aber es gibt auch Alternativen zu Engel und Teufel. Die sind manchmal regionsbezogen aktiv und manche haben sich mehr durchgesetzt als andere. Vier von Ihnen sieht man auf dem großen Bild oben: Brůna, PeruchtaAmbrož und Krampus. So wurden sie letztes Jahr vor Weihnachten im Karlsbrückenmuseum (unser Bericht hier) in einer winterlichen Sonderausstellung vorgestellt. Wobei auch hier der Nikolaus als Dreh- und Angelpunkt nicht fehlen darf. Er wird hier in seiner klassischen Form dargestellt – nicht mit rotem Wams und roter Kapuze, denn das ist das neumodische Kostüm des Weihnachtsmannes, der eine Kunstkreation des 19. Jahrhunderts ist und allzu oft mit dem Nikolaus verwechselt wird. Der historische Nikolaus war ein Bischof im 4. Jahrhundert. Und deshalb stellen die Tschechen ihn immer (!) im Bischofsgewand mit Bischofmitra und Bischofskrummstab dar.

Fangen bei den Begleitern wir als erstes mit Brůna an. Das ist ein Pferd, das meist leicht grotesk dargestellt wird, so dass es manchmal einer Ziege ähnelt. Und es ist immer weiß. Diese Figur schlich sich anscheinend im 19. Jahrhundert in das Nikolausbrauchtum ein, ohne sich allerdings sehr flächendeckend durchzusetzen. Damals war sie vor allem in Mähren Teil von Prozessionen, die zum Nikolaustag stattfanden. Bei ihnen war Nikolaus immer von einer Vielzahl recht seltsamer Wesen umgeben. Brůna schien harmlos zu sein und führte keine Bestrafungen durch wie die meisten Nikolaus-Begleiter. Diese Prozessionen gab es schon im 14. Jahrhundert und sie begannen immer einen Tag vorher, am 5. Dezember (man feierte sozusagen in den nächsten Tag hinein). Auch heute zieht der Nikolaus in Tschechien noch an diesem Tag – also nicht dem eigentlichen Nikolaustag – von Haus zu Haus.

Die Paraden, die es heute so kaum mehr gibt, nahmen sich stets ein wenig gruseliger aus als das heutige Brauchtum. Das sieht man auch an der alten Nikolausbegleiterin Peruchta (auch: Perchta oder Perychta), eine Figur, die es auch in Teilen Österreichs als Brauchtum gibt. Peruchta ist eine weiß gekleidete und kaum als solche erkennbare Frau mit groteskem Aussehen und scharfen Zähnen. Böse Kinder, so droht sie, kriegen von ihr den Bauch mit rohen Erbsen, die sie in einem Topf bei sich trägt, vollgestopft. In einigen Orten soll sie sogar von einem Mann namens Dušník begleitet worden sein, der ein scharfes Messer bei sich führte. Wer schon den deutschen Knecht Ruprecht als zu brutal empfindet, wird bei Peruchta mit aller Wahrscheinlichkeit endgültig in Ohnmacht fallen.

Ähnlich dürfte es dann bei Krampus sein. Auch er ist eine Schreckgestalt. Wie Peruchta dürfte er irgendwie ein vorzeitliches (möglicherweise keltisches) Relikt aus vorchristlicher Zeit sein, obwohl es schriftliche Quellen über ihn wohl erst seit dem 16. Jahrhundert gibt. Er ist eine Art Dämon, der meist in Fell oder Sackleinen gekleidet ist und geschwungene Hörner trägt. Auch er soll böse Kinder bestrafen, während der Nikolaus die guten Kinder belohnt. Das ist eine ausgefeilte Arbeitsteilung, bei der der gute Nikolaus keinen Imageschaden erleidet, aber der Gerechtigkeit genüge getan wird. Krampus verbreitete sich bei Nikolausfesten vor allem im Alpenraum, Norditalien und großen Teilen Mitteleuropas, darunter eben auch in Böhmen und Mähren.

Und dann ist da noch Ambrož. Dessen Name leitet sich vom Heiligen Ambrosius ab, der seinen kirchlichen Feiertag am Tag darauf (also den 7. Dezember) hat. Das wäre eine mögliche Erklärung, warum er dem Nikolaus folgt, aber tatsächlich hat man bis heute keine genaue Ahnung, wie er in dessen Gefolge geriet. Als historische Personen waren Ambrosius und Nikolaus beide Bischöfe und Ambrosius könnte vom Alter her Nikolaus sogar als Kind noch kennengelernt haben. Dass das geschah, ist aber nirgendwo überliefert und auch höchst unwahrscheinlich. Aber das hat nicht verhindert, dass man sie in Tschechien irgendwie zusammensteckt. Ambrož trägt immer einen dunklen spitzen Hut und ein langes Gewand. Er bedroht, wie es im Gefolge des ja an sich gutmütigen Nikolaus öfters der Fall ist, die unartigen Kinder. Wenn sie weglaufen, schafft er es aber meist nicht, sie zu fangen und verliert stattdessen in der Hektik seine Süßigkeiten, die dann von den Kindern aufgesammelt werden. Weil er zwar böse tut, aber in Wirklichkeit im geradezu maoistischen Sinne ein Papiertiger ist, lieben ihn die Kinder.

Eine Begleiterin fehlte bei der Ausstellung, aber dafür tut es das Bild rechts aus dem Ethnographischen Museum in Prag. Das ist eine Lucka. Sie ist weißgewandet und trägt eine große Schnabelmaske. Obwohl ein vorchristlicher Brauch dahinter stecken mag, taucht sie erst im 19. Jahrhundert in schriftlicher Erwähnung auf. Der Komponist Jan Jakub Ryba (wir berichteten über ihn hier) erzählte in Aufzeichnungen von 1804, in denen er über eine Reise nach Südböhmen berichtete, über die ausschwärmenden Luckas (tschechischer Plural: Lucky), die am Abend vor Weihnachten mit einer großen Gänsefeder von Haus zu Haus ziehen, um dort (symbolisch) sauberzufegen. Damit soll (ebenfalls symbolisch) das alte Sonnenjahr weggefegt werden. Denn: Der alte Brauch und der Name knüpfen lose an die Heilige Lucia an. Der kirchlicher Feiertag für sie ist der 13. Dezember. Der war im alten (julianischen) Kalender das Sonnenwendfest. Sie brachte somit mehr Licht und vertrieb so das alte Jahr. Der Name Lucia leitet sich von lateinischen Lux (= Licht) ab. Die 1582 erfolgte Einführung des Gregorianischen Kalenders durch Papst Gregor XIII. führte zu einer Verschiebung der Sonnenwende auf den 21. Dezember. Aber als Lucka hat sie sich halt am Ende an den Nikolaus gehängt und feiert nun mit ihm am 5. Dezember in den Nikolaustag hinein.

Nun ja, bei Ambrož und Lucka kann man wenigstens vorgeben, dass hier ein wenig Christentum im Spiel ist, weil man sie vage mit Ambrosius und Lucia verbinden kann. Bei der grausigen Peruchta und dem grausigen Krampus fällt das noch schwerer. Die katholische Kirche stand dem Gefolge des Nikolaus stets eher skeptisch gegenüber, schaffte es aber nicht die Brauchtümer zum Verschwinden zu bringen. Und am Ende sehen Kinder (im Gegensatz zu manchen politisch korrekten Erwachsenen) in den monströseren Begleitern des Nikolaus richtige Spaßfiguren. Und ein bisschen Spaß sei jedermann gegönnt. Der Nikolaus wird hingegen tatsächlich als Symbol christlicher Güte wahrgenommen. Und sein Gefolge macht ihn, ehrlich gesagt, zusätzlich auch noch cooler! (DD)

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