Ob es dort oben Frösche gibt? Die Sternwarte Ondřejov

Sie ist der Stolz des Astronomischen Instituts der Akademie der Wissenschaften (Astronomický ústav Akademie věd ): Die Sternwarte Ondřejov (Hvězdárna Ondřejov) im rund 30 Kilometer südöstlich Prags gelegenen Ort Ondřejov u Prahy, der dadurch zu einem beliebten Ausflugsziel für die Prager wurde. Ein wenig versteckt auf einem Hügel liegt sie idyllisch mitten in einem Waldstück.

Die Sternwarte Ondřejov hat nicht immer dem (staatlichen) Astronomischen Institut gehört. Tatsächlich vedankt dieses Schmuckstück der tschechischen Sternenforschung seine Existenz einer Privatinitiative (sie ist dabei übrigens nicht der einzige Fall, wie wir hier berichteten). Als der Industielle und Hobbyastronmom Josef Jan Frič hier 1898 das 30 Hektar große Grundstück kaufte, hatte er schon den festen Plan, dass dort eine Sternwarte auf modernstem technischen Stand entstehen solle. Frič -ein weitläufig gebildeter Mann, der Zoologie und Paläontologie studiert hatte, und obendrein als begabter Musiker bekannt war – kam dabei seine unternehmerische Tätigkeit zu Gute, hatte er doch zusammen mit seinem 1897 verstorbenen Bruder, dem Chemiker Jan Ludvik Frič, eine erfolgreiche Firma für Feinmechanik in Prag gegründet, die sich auch mit der Herstellung von optischen Präzisonsgeräten befasste. Das passte zur Sternenforschung und ließ sich folglich auch nutzbar dafür machen.

Im Jahre 1905 begannen die Bauarbeiten für einen ganzen Gebäudekomplex gemäß den Plänen des bekannten Architekten Josef Fanta, der als Erbauer des Prager Hauptbahnhofs berühmt wurde (wir berichteten hier). 1906 waren das Hauptgebäude mit dem Arbeitszimmer und der Unterkunft Fričs, vier kleinen Beobachtungshäusern für Astronomen, eine Werkstatt und das eigentliche, aus einem zentralen (großes Bild oben) und einem westlichen Kuppelbau bestehende Observatorium, das aber erst 1912 fertiggestellt wurde. Eine von dem Bildhauer Bedřich Stefan in den Jahren 1939/40 angefertigte Denkmalsbüste des Gründers steht vor dem Haupthaus.Man hatte auch allen Grund, ihm dankbar zu sein, denn schon 1928 schenkte Frič die Sternwarte mit allem drum und dran der Öffentlichkeit; genauer gesagt: Der Karlsuniversität in Prag. Erst 1953/54 ging es in den Besitz des Astronomischen Instituts der gerade erst gegründeten Akademie der Wissenschaft über.

Seither hat sich die Anlage noch einmal mehrfach vergrößert und wurde auch immer moderner ausgestattet, um im internationalen Wettbewerb der Wissenschaft mitzuhalten. 1967 wurden etwa die alten Teleskope durch neue Spiegelteleskope ersetzt. Schon längere Zeit bevor er die Sternwarte selbst erreicht, kann der Wanderer am Wegesrand etliche Radioteleskope entdecken, die die alten optischen Teleskope (mit Linsen) ergänzen. Etliche davon sind deutscher Herkunft. Es handelt sich um sogenannte Würzburg-Riesen, die ursprünglich im Zweiten Weltkrieg für die Flugabwehr (ab 1941) eingesetzt wurden, aber später zum zivilen Zweck der astronomischen Forschung zu Radioteleskopen umgebaut wurden. Einige von ihnen hier dienen heute der Meteoritenerfassung.

In den 1960er Jahren wurde das Ganze mit einem neuen Gebäude um eine Abteilung für Solarastronomie ergänzt, das mit speziellen Sonnenteleskopen und Spektrographen arbeitet.Hier befasst man sich auf höchstem Niveau mit Forschungsgebieten wie, Sonnenatmosphäre, Sonneneruptionen und Protuberanzen Solarforschung ist generell einer der Schwerpunkte der Arbeit im Observatorium.Zusätzlich beinhaltet das Gebäude auch eine Bibliothek und eine Kantine für die im Laufe der Zeit stark angewachsene Belegschaft.

Technisch entwickelt sich die Sternmwarte immer weiter, um modern und wissenschaftlich up-to-date zu bleiben. Der Besucher wird allerdings eher von den alten Gebäuden aus der Zeit von Frič entzückt sein. Moderne, nüchteren Wissenschaft und Ästhetik gingen hier offenbar noch Hand in Hand. Selbst die eigentlichen Observatorien mit ihren Kuppeln für Teleskope wurden von Architekt Fanta in feinstem Jugendstil erbaut, wie das Bild links mit der westlichen Kuppel zeigt. Unterstrichen wir der überwältigende Effekt der Architektur dadurch, dass die Anlage in einem hübsch angelegten botanischen Baumpark (Arboretum) mit etlichen exotischen Baumsorten liegt.

Aber das sicher beliebteste Stück Architektur auf dem Gelände der Sternwarte ist eigentlich gar kein speziell wissenschaftliches Gebäude mit entsprechender Technik, sondern das Haus, in dem Frič seine Wohnung und sein Arbeitszimmer hatte. Es handelt sich um ein in der Art eines kleinen Landhauses gebautes Gebäude im Jugendstil, das mit einem kleinen Turm versehen ist. An allen vier Seiten gibt es einen Giebel, von denen drei mit Motiven zum Sternenhimmel während der Tageszeiten verziert sind. Die Sgraffiti stammen von dem Karel Ludvík Klusáček, der sich von dem damals sehr berühmten Historienmaler Mikoláš Aleš (frühere Beiträge u.a. hier und hier) inspirieren ließ.

Das putzigste Motiv befindet sich aber auf der Nordseite über dem Eingang. Man fragt sich zuerst, warum man da Frösche unter dem Sternenfirnament sieht. Nur der Literaturkenner wird ohne googeln wissen, dass das ein witziges literarisches Zitat ist. Der tschechische Text unter den glupschäugigen Fröschen ist nämlich ein Auszug aus einem Gedicht des großen Prager Schriftstellers Jan Neruda (siehe frühere Beiträge u.a. hier und hier). Neruda war nicht nur der Patenonkel von Frič, sondern teilte auch dessen Begeisterung für die Astronomie. Das schlug sich auch dichterisch nieder.

Im Jahre 1878 gab nämlich Neruda den Gedichtband Písně kosmické (Kosmische Lieder) heraus, eine Sammlung mit Lyrik, bei der es sich um Sterne und Himmel drehte. In einem Gedicht sinnieren dabei Frösche, die in einem Teich sitzen, über den Sternenhimmel: „Jen bychom rády věděly,“vrch hlavy poulí zraky, „jsou-li tam tvoři jako my, jsou-li tam žáby taky!“ Auf Deutsch: „Wir wollen nur gerne wissen“, hoch über das Haupt glotzt der Blick, „ob es dort Kreaturen wie uns gibt, ob es dort auch Frösche gibt!“ Dieses „ob es dort Frösche gibt“, steht nun in Tschechisch unter den sehr philosophischen Fröschen. Auf jeden Fall zeugt das Ganze von einem Sinn für Humor – auch bei astronomischen Fragen.

Das Gelände kann tagsüber jederzeit besucht werden. Wer mehr über die Historie und die Forschung in der Sternarte erfahren will, kann in den Monaten Mai bis Oktober das nach dem 1902 verstorbenen Chemiker und Astronomen Vojtěch Šafařík benannte Astronomische Museum (Astronomické muzeum Vojtěcha Šafaříka) besuchen, das hier 1998 auf dem Gelände erbaut wurde. Neben den vielen technischen Erinnerungsstücken aus der langen Vergangenheit der Sternwarte gibt es hier u.a. auch die kleine tschechoslowakische Fahne zu sehen, die der 2017 verstorbene US-Astronaut Eugene Cernan 1972 bei der letzten bemannten Mondlandung, dem Flug von Apollo 17, mit auf den Mond genommen hatte, um sie später der Sternwarte zu schenken. Eine noble Geste in den Zeiten des Kalten Krieges, die Cernans Verbindungen zum Land unterstrich, hatte doch seine Familie tschechische Wurzeln. (DD)

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