Ort der Rätsel und Legenden

Ein geheimnisvoller Ort. Dass es sie wohl gab, sieht man an den Erdwällen und Gräben rundum. Aber viel mehr weiß man im Grunde nicht von der Burg Skara bei Úvaly, nur etwas 15 Kilometer östlich vom Stadtzentrum Prags entfernt.

Sicher ist, dass sie in einer hübschen Auen- und Waldlandschaft über dem idyllisch daherfließenden Výmola-Baches (Bild links) gelegen ist, und daher ein attraktives Ausflugsziel für Ausflüger aus Prag ist. man vermutet, dass sie im späten 13. Jahrhundert, allenfalls im frühen 14. Jahrhundert gebaut und „in Betrieb“ war. Die geschichtsstolzen Bürger von Úvaly haben deshalb gerne geglaubt, dass die Burganlage der Geburtsort des vermeintlich größten Sohnes der Stadt war, nämlich Ernst von Pardubitz (Arnošt z Pardubic), der 1344 als erster Erzbischof von Prag Geschichte schrieb und dann auch noch 1348 der erste Kanzler der neu gegründeten Karlsuniversität wurde.

Dem hat man sogar am Hauptplatz des Ortes 1869 ein großes Denkmal gesetzt. Leider aber die Geschichtsforschung ist sich heute weitgehend einig, dass der gute Erzbischof hier gar nicht geboren wurde. Wahrscheinlicher ist, dass er sich in der heute völlig verschwundenen Festung im nahen Hostinka. Sein Vater nannte sich auch noch Ernst von Hostina, bisweilen aber auch Ernst von Stara. Vermutlich hat man irgendwann die beiden Burgen und dann den Namen Stara/Skara verwechselt. Erst im Jahr 1681 wird in der Miscellanea historica regni Bohemiae des jesuitischen Chronisten Bohuslav Balbín eine Burg Skara erwähnt. Möglicherweise meinte er aber einen anderen Ort. Oder der von ihm auf einer Karte eingezeichnte Name war in Wirklichkeit die lateinisierte Bezeichnung des umgebenden Waldflurs (heute ein Naturschutzgebiet) Škorec. Am Ende weiß man nichts genaues nicht… Aber irgendwie ist der Namen Skara auch ohne fundierte historische Wissensbasis hängen geblieben.

Wirklich klar, wenn auch nicht unbedingt korrekt wurden die im Wald liegenden Überreste einer Burg mit der Festung Stara (auf der sich Enst von Pardubitz gebar) erst von dem Kaufmann und (Laien-) Burgenforscher Franz Alexander Heber in seinem siebenbändigen Werk Böhmens Burgen, Vesten und Bergschlösser, das zwischen 1844 und 1849 erschien. Der projizierte in der beiliegenden Zeichnung noch zwei (ebenfalls nicht mehr existierende) Türme eines romatischen Schlosses der Familie Liechtenstein aus dem späten 18. Jahrhundert hinein. Und Heber verdanken wir auch eine mit Inbrunst vorgetragene Theorie, warum die Burg irgendwann verlassen und dem Verfall preisgegeben wurde. Anfang des 16. Jahrhundert gab es Konflikte zwischen den mit Handelsprivilegien versehenen königlichen Städten (allen voran Prag) und dem niederen Landadel. 1507 wurde die Prager Justiz ein wenig übergriffig, weil sie einen Kleinadligen nach einem Duell auch ohne juristische Zuständigkeit hinrichten ließ. Der Bruder des Hingerichteten, ein gewisser Ritter von Jiří von Kopidlanský, sammelt aus Rache Truppen und es folgte ein kurzer Krieg, bei dem es viel Zerstörung gab. Am Ende stellte König Vladislav II., der sowieso vorhatte, die Macht der Städte zu brechen, den Frieden qua Machtwort her. Die Prager mussten den Ritter für die Ermordung des Bruders entschädigen. Aber, so heißt es, im Laufe des Krieges hatte der gute Ritter doch noch die „Burg Skara“ zerstört. Wieder ein Stück Legende, das den Ort umgibt!

Das stimmt wahrscheinlich auch nicht. Eventuell hat die Burg schon die Hussitenkriege um 1420 nicht überlebt. In zeitgenössischen Chroniken wird nichts davon erwähnt. Erst in der 16bändigen Topographie des Königreichs Böhmen aus den Jahren 1785 bis1791 des Topographen und Historikers Jaroslav Schaller taucht ohne Beleg die bisher stets unerwähnt gebliebene Geschichte von der Zerstörung durch Ritter Kopidlandský auf, die dann von Heber begeistert übernommen wurde. Was wissen wir denn nun wirklich? Nun, erstens: Den Ort umgibt ein Flair des Rätselhaften. Zweitens: Definitiv erfolgte eine Wiederbesiedlung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als man auf einem kleinen Teil der äußeren Wallanlagen einige kleine Ferienhäuschen hinstellte. Sie zerstören zwar das Gesamtbild nicht völlig, aber man wünscht sich doch, dass man das damals sein gelassen hätte.

Ansonsten weiß man nur, dass auch Ausgrabungen unergiebig waren und keine genauere Rahmendatierung des der Burg erlaubten. Das könnte daraufhin deuten, dass die Anlage offenbar nie für permanente Nutzung ausgelegt war. Der Archäologe und Burgenforscher Tomáš Durdík hat 2007 in einem Buch ziemlich genau die Kategorie von Burg beschrieben, zu dem man Skara wohl rechnen könnte, den Typ Übergangsburg (Hrad přechodného typu). Der fand primär in Böhmen im 13. Jahrhundert Verbreitung. Technisch knüpfte er an frühmittelalterliche Wallanlagen (Erdwälle und Holzpalisaden) an, und wurde nur selten ein wenig an einigen Stellen mit Mauerwerk verstärkt. In einer Zeit, da sich überall im Lande steinerne Burgfestungen verbreiteten, dienten sie als schnell aufzubauende Anlagen wohl der schnellen Errichtung von möglichrweise nur temporär und situativ genutzten Stützpunkten. Das würde die kurze Nutzzeit und die archäologische Unergiebigkeit der Anlage erklären.

Tatsächlich erinnert die rund 60×60 Meter große Anlage (jedenfalls für Laien wie mich) tatsächlich an eine vorgeschichtliche oder frühmittelaterliche Wallananlage. Es handelt sich um zwei Wallringe. Der äußere Befestigungsring ist fünfeckig, der innere im Nordwesten der Anlage quadratisch. An zwei Seiten wurde die Burg durch das steile Bachufer geschützt. Im Südwesten war der Zugang leichter, weshalb hier größere Wallgrabenanlagen sichtbar sind. Eine kleine Infotafel beschreibt (auf Tschechisch) die Anlage und ein wenig von der mageren Überlieferung über die Burg. Gerade, dass es doch so wenig ist, was wir wissen, stimuliert die Phanatsie, um über die Legenden zum alten Ernst von Pardubitz oder dem rächenden Ritter Kopidlandský nachzudenken, deren Geister vielleicht doch hier umherirren. (DD)

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