Schwer transportierbares Symbol der Republik

Direkt beim alten Pfarrhaus des Veitsdoms steht es. Und obwohl Obelisken ja eine Erfindung der alten Ägypter sind, wirkt es sehr modern. Klar, denn dieser Obelisk auf dem dritten Hof der Prager Burg sollte irgendwie den Anfang einer modernen Republik symbolisieren. Aber ihn hier aufzurichten war keine einfache Sache…

Es begann mit einem Wunsch des ersten Präsidenten, Tomáš Garrigue Masaryk. Die Tschechoslowakische Republik war gerade gegründet und Masaryk zog 1918 in die Burg als Amtssitz ein. Die, so fand er, habe ein noch zu monarchisches Gepränge und bedürfe einer zeit- und republikgemäßen Modernisierung. Mit dem behutsamen Umbau (das Resultat sieht man im Hintergrund des Bildes links) beauftragte er 1920 seinen „Hausarchitekten“, den aus Slowenien stammenden Jože (manchmal auch: Josip) Plečnik, dem wir auch die berühmte Herz-Jesu-Kirche (genauer: Kirche des heiligsten Herzens des Herrn; auf Tschechisch: Kostel Nejsvětějšího Srdce Páně) in Vinohrady verdanken (wir berichteten hier). Im Jahr darauf meinte Masaryk, man solle bei der Gestaltung des Hofs noch zusätzlich ein großes Denkmal für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Tschechen und Slowaken hinzufügen. Dazu gab es eine Ideensammlung, die nicht brachte, was sie bringen sollte. Zu groß und pompös oder nicht dem Geschmack des Präsidenten entsprechend – ein Wettbewerb für ein patriotisches Gedicht, das auf einer Tafel eingemeißelt werden sollte, zeitigte wohl horrende Ergebnisse. Und so weiter…

Plečnik kam schließlich mit der Idee, eine Art Obelisken zu errichten – eine riesige „Freiheitssäule“. Es gab noch eine kurze Diskussion, ob man nicht statt des bei Obelisken üblichen Pyramidions (ein pyramidenförmiger Schlussstein an der Spitze) einen böhmischen Wappenlöwen daraufstellen sollte, der sich über ein slowakisches Wappen beugt, aber dagegen protestierten zuviele Slowaken, dass sie dabei optisch untergebuttert würden, also beschloss man zuerst, keine Spitze anzubringen. Es dauerte fast 1 1/2 Jahre, bis sich auf die Ausschreibung eine Firma aus Mrákotín u Telče meldete, sie könne tatsächlich einen zurechtgeschlagenen Monolithen der gewünschten Größe (der nur mit Mühen durch das Hoftor der Burg passen würde) anfertigen. Zwischen April und August 1923 brachen 17 Steinmetze den 20 Meter hohen und 120 Tonnen schweren Monolithen aus dem Steinbruch, der durch Bearbeitung auf 18,2 Meter und 91,6 etwas reduziert wurde. Schon beim Transport vom Steinbruch zum Bahnhof des 11 Kilometer entfernten Ortes Telč (ab 3. September 1923), für den extra auf Straßen Schienen verlegt wurden, kam es am zu einer verhängnisvollen Panne durch den Achsbruch eines Fahrzeug. Der Monolith zerbrach in drei Teile. Immerhin wurden die Bruchstücke später für Heldendenkmäler in Telč und in Prag würdig verwendet.

Präsident Masaryk spendete selbst noch im September das Geld für einen 2. Versuch, doch zeigten sich schon kurz nach dem Herausbrechen des Monolithen Anfang 1924, dass dieser Risse aufwies, die den Transport verunmöglichten. Also wurde im September ein dritter Monolith herausgebrochen – sicherheitshalber ein wenig kürzer (15,67 Meter) und weniger schwer (112 Tonnen), aber immer noch ein großes Transportproblem darstellend. Der Transport begann am 18. September 1925 mit Unterstützung der Armee. Mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 169 Meter pro Tag kam er am 7. November am Bahnhof Telč an. Das Umladen dauerte tagelang. Dann ging es ab dem 3. Dezember weiter per Bahn, wofür Brücken verstärkt wurden und Strecken für den sonstigen Verkehr gesperrt wurden. Nach sieben Tagen kam er am 9. Dezember im Prager Bahnhof Dejvice, von wo aus er auf Spezialschlitten zur Burg gezogen wurde, was ganze 22 Tage dauerte, weil sich besonders der Weg durch die Burghöfe als extrem schwierig erwies. Unter der Leitung von Plečniks Mitarbeiter, dem Architekten Otto Rothmayer (wir erwähnten ihn hier), wurde die Oberfläche endgültig geglättet und bearbeitet, sodass der Monolith rund 50 cm Höhe und 18,5 Tonnen verlor. Das dauerte noch einmal mehr als zwei Jahre, sodass der Obelisk noch gerade rechtzeitig am 28. Oktober 1928 anlässlich des 10. Jahrestages der Gründung der Tschechoslowakei feierlich enthüllt werden konnte. Erst dann wurde er zwischen dem 29. Oktober und dem 1. November aufgerichtet und auf einem Sockel in Stahlfassungen befestigt.

So überlebte er auf das Ende der Republik, die Nazizeit und den Kommunismus. Nach der Samtenen Revolution von 1989 machte sich der gewählte demokratische Präsident Václav Havel Gedanken, ob man den ja letztlich ohne Spitze unvollendeten Obelisken nicht vollenden solle. Alte Pläen mit Löwen und Wappen wollte man natürlich nicht wieder aufnehmen Man folgte darob 1991 dem Vorschlag seines „Hausarchitekten“ Zdeněk Lukeš, tatsächlich ein traditionelles Pyramidion aufzusetzen, dies aber modern zu gestalten. Und so stellte der Maschinenbaukonzern Škoda eine aus vergoldeten Stahlprofilen (angeblich verwendet man die auch bei Kernkraftwerken) an den Seiten offene Pyramide mit einer 90 cm breiten Basis her (Bild rechts), die dann aufgesetzt und am 13. Mai 1996 in Gegenwart Havels eingeweiht wurde. Trotz des Rückgriffs auf eine altägyptische Form wirkt das in ihrer Klarheit bestechende Denkmal, das ohne Pomp und schwülstige Aufschriften auskommt (nur eine diskrete Infotafel steht tin der Nähe) wirklich wie das Symbol für eine moderne demokratische Kultur. Für Havel schien der Obelisk daher eine besondere Bedeutung zu haben, denn es ist wohl kein Zufall, dass der geglättete Stein auf seinem Grab in Vinohrady (wir berichteten) aus dem selben Steinbruch stammt wie der Obelisk auf der Burg. (DD)

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