Überreste eines Landgutes

Die äußeren Stadtteile Prags, die fast alle erst im 20. Jahrhundert ihre Selbständigkeit verloren, waren oft noch recht ländlich, bevor sie von der expandierenden Großstadt aufgesogen wurden. In kaum einem Stadtteil kann man das so gut studieren wie in Košíře (heute Prag 5).

Das schlägt sich auch in einer großen Zahl alter Gutshäuser nieder, die man hier noch sehen kann (über ein Beispiel berichteten wir hier). Von einem besonders großen Landgut kann man allerdings nur noch verstreute Überreste finden, die aber einen gewissen Eindruck von der früheren Pracht schwach erahnen lassen. Es handelt sich um das das Landgut Popelka (Usedlost Popelka) in der Na Popelce. Anscheinend hat es wohl schon im Mittelalter hier ein landwirtschaftliches Gehöft gegeben, von dem aber nichts erhalten ist. Wirklich in die Geschichte tritt das Ganze aber erst 1704 durch urkundliche Erwähnung ein. Es gehörte damals möglicherweise (!) der bedeutenden böhmischen Adelsfamilie Popel von Lobkowicz (Popel z Lobkovic) als Weingut und Agrarbetrieb. Aus dem Familiennamen Popel (der in tschechischen Ohren nicht so lustig klingt wie in deutschen, sondern „Asche“ bedeutet) leitet sich wohl der Name des Gutes Popelka ab.

Um 1840 erwarb der Großgrundbesitzer Karl Dittrich, der bereits in der Nähe die beiden Landgüter Cihlářka und Provaznice besaß, das gesamte Gut. Es kam aber bald zu Aufteilungen. Schon 1849 erwarb die jüdische Gemeinde von Košíře einen kleinen Teil des Landes, um hier eine kleine Synagoge zu bauen (wir berichteten). Um 1880 war wohl das Gutsland in drei Teile aufgeteilt und verkauft. Landwirtschaft im großen Stil gab es bald nicht mehr und die Umgebung verstädterte. Im Jahre 1900 wurde das eigentliche Gutshaus abgerissen. An seiner Stelle steht hier heute ein kleines Familienhotel, das immerhin den Traditionsnamen aufrecht erhält: Hotel Popelka. Die Architektur des Gebäudes lehnt sich ein ganz klein wenig an den Barockstil des ursprünglichen Gebäudes an.

Ansonsten muss man ein wenig suchen. So gibt es noch den alten barocken Torbogen des Gehöfts. Das befindet sich aber mittlerweile unzugänglich auf einem Privatgrundstück, dort wo die Besitzer gerne ihre Autos parken. Wenn man die Kamera hoch über das Einfahrtstor herrscht, kann man die schönen geschwungenen Barockformen des Tors bildlich festhalten (siehe Bild links). Auf dem obersten kleinen Bild links erkennt man die Rückseite.

Die große Besonderheit, die auch am besten erhalten ist, ist eine sogenannte Sala terrena. Das ist ein meist ebenerdiger Gartensaal, der Hauptaus und Garten verband, und in dem man in den Zeiten von Renaissance oder Barock gerne im Schatten, aber bei frischer Luft lustwandelte oder feierte. Ungewöhnlich ist bei der Sala terrena des Popelka-Gutes, dass sie sich an der Außenmauer des Gutes befindet, und dass sie nicht ebenerdig ist, sondern ein wenig im Boden versenkt ist. Warum, weiß keiner so genau. Ob es etwas mit der Wasserquelle zu tun hat, die man bei Restaurationsarbeiten entdeckte? Es gibt Urkunden, in denen von Heilquellen, die man gerne nutzte, die Rede ist, und die man vielleicht mit der Sala terrena kombinierte. Das erklärte auch die Lage.

Jedenfalls ist das Gebäude in seiner Eleganz ein kleines barockes Schmuckstück. Die entsprechende Anerkennung hat es jedoch nicht immer erfahren. Mit der Auflösung des Gutes zu Beginn des 20. Jahrhunderts verlor das Gebäude seinen Ursprungszweck und verfiel und überwucherte. Zeitweise wurde es als Scheune genutzt, dann aber wieder verlassen und sich selbst überlassen. In der Umgebung wurden viele Wohnhäuser gebaut, so dass man in den Zeiten des Kommunismus beschloss, direkt davor eine Reihe von Garagen für die Autos der Bewohner zu bauen – obwohl das Gebäude 1958 zum geschützten Denkmal erklärt worden war. Die sind immer noch da und trüben den Gesamteindruck nachhaltig in unschöner Weise.

Aber ein wenig gebessert haben sich die Zeiten schon. Der Eigner der Sala terrena, die Stadtverwaltung Prag 5, nahm sich des Gebäudes an. In den Jahren 2007 bis 2010 ließ sie das Gebäude durch die Firma Gema art aufwendig restaurieren. Dabei schloss man unter anderem den Innenraum mit Glasfenstern gegen die Witterungseinflüsse ab. Auch die Wasserquelle, die etwas unkontrolliert den Stuck zersetzt hatte, wurde wieder gebändigt. Seither sieht das Gebäude wieder richtig schmuck aus. Da es etwas abgelegen ist und optisch immer noch von den Garagen beeinträchtigt ist, hat man noch keine adäquate Nutzung gefunden. Für soziale Events, Hochzeiten oder ähnliches könnte sich die Sala terrena unter anderen Umständen durchaus eignen. Das Thema bleibt auf der Tagesordnung. (DD)
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