- Hans Weber
- April 24, 2025
Viel Mut im Exil
Als die Nazis im Januar 1933 die Macht übernahmen, begann damit die Demontage der Weimarer Republik und die Errichtung einer totalitären Diktatur. Der wichtigste der ersten Schritte war das Ermächtigungsgesetz, durch das sich Hitler im März vom Reichstag diktatorische Vollmachten übertragen ließ. Nur die 94 Abgeordneten der SPD stimmten gegen das Gesetz. Es war absehbar, dass die Nazis danach die Partei zerschlagen würden. Im Juni folgte das Verbot der Partei. Vorausschauend baute sich deshalb die Partei schon im Mai – also vor 90 Jahren! – einen Exilvorstand auf, die SoPaDe (Sozialdemokratische Partei Deutschlands). Und die hatte ihren Sitz in Prag.

Von allen Demokratien, die sich in Europa nach dem Ersten Weltkrieg gebildet hatten, hatte nur die Erste Tschechoslowakische Republik überlebt. Alle anderen – etwa Polen, Ungarn, Rumänien und ab 1933 eben auch Deutschland – waren zu Scheindemokratien oder gar offenen Diktaturen mutiert. Die Tschechoslowakei wurde zum Fluchtort für die Verfolgten Europas. Die SoPaDe erwarb Büros in einem großen Wohngebäude in der Křižíkova 179/26 (Ecke Karlínské náměstí) im Stadtteil Karlín. Von hier aus sollte sie mehrere politische Aufgaben erledigen. Dazu gehörte der Schutz besonders gefährdeter Politiker, etwa Otto Wels, der mutig im Reichstag gegen das Ermächtigungsgesetz gesprochen hatte. Aber auch die Rettung und Verwaltung zumindest von Teilen des Parteivermögens, die Sicherung der verbliebenen Organisationsstruktur, den Kontakt zur in Deutschland noch bis 1934 agierenden „illegalen Reichsleitung“ der Partei, die Entwicklung für den demokratischen Aufbau nach dem erwünschten Ende des Nationalsozialismus, die Herausgabe der Parteizeitschrift Vorwärts (als Neuer Vorwärts), die Kooperation mit anderen demokratischen Exilorganisationen. Bei letzterem hielt man bewusst, aber nicht unumstritten Distanz zu den Kommunisten, sondern suchte eher Kontakt zu bürgerlichen Gruppen. Zu der organisatorischen Struktur, die die rund 25 Mitarbeiter im Haus in der Křižíkova aufbauten, gehörten die sogenannten Grenzsekretariate, die die Verbindung zu Untergrundgruppen in Deutschland aufrechterhielten und Literatur und andere Werbemittel einschmuggelten. Zudem sammelten sie Informationen, die für die Veröffentlichung der Deutschland-Berichte verwendet wurden, durch die sich die SoPaDe ein Bild der Lage in Deutschland verschaffen wollten.

Als Anfang 1939 Hitlers Truppen in Prag einmarschierten, war die SoPaDe noch rechtzeitig geflohen, um in Paris ein neues Büro einzurichten. Das konnte nur bis zum Einmarsch der Wehrmacht 1940 arbeiten. Die nächste Station war London, aber dort waren die Möglichkeiten (z.B. naturgemäß keine Grenzbüros) so beschränkt, dass die Arbeit bald zum Erliegen kam. In Prag findet man immerhin ein wenig Gedenken an dieüberaus viel Mut erfordernde Tätigkeit der SoPaDe. Am 15. Mai 1990 hielt der frühere deutsche Bundeskanzler Willy Brandt, der die damalige Zeit im norwegischen Exil verbracht hatte, eine Grundsatzrede über Entwicklungspolitik an der Prager Karlsuniversität. Tags zuvor nutzte er die Gelegenheit, dem Haus in der Křižíkova einen Besuch abzustatten und dort eine sehr schlichte metallene Gedenktafel in Tschechisch und Deutsch einzuweihen, die an die SoPaDe und ihr Wirken in Prag erinnert: „Hier arbeitete der Exilvorstand der deutschen Sozialdemokraten in den Jahren 1933 bis 1938.“ (DD)
PS: Am heutigen Tag findet in Prag übrigens eine Gedenkveranstaltung zum 90. Jahrestag der Gründung der SoPaDe statt, die u.a. von der parteinahen Friedrich-Ebert-Stiftung organisiert wird.
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