- Hans Weber
- March 27, 2025
Vom Kloster zur Psychatrie

So bleibt es ein Geheimtipp, den an Werktagen geöffneten Katharinengarten (Kateřinská zahrada) am Rande der Neustadt (umgrenzt von den Straßen Apolinářská im Süden, Ke Karlovu im Osten, Kateřinská im Norden und Viničná im Westen) zu besuchen. Ein ummauertes Areal war das Ganze übrigens immer schon und das hatte nichts mit Psychatrie zu tun. Schon 1355 ließ Kaiser Karl IV. an dieser Stelle ein Augustinerkloster samt Kirche der Heiligen Katharina von Alexandria (kostel sv. Kateřiny Alexandrijské) erbauen. Von diesem gotischen Ursprungsbau, der 1420 während der Hussitenkriege niedergebrannt wurde, ist fast nichts mehr zu sehen; ebenso wenig von späteren Um- und Neubauten, die es etwa in den Jahren 1512, 1678 oder 1703 gab.

Erst im Jahre 1718 begann man im großen Stil mit der Wiederbelebung des Klosters, das nun in hochbarocker Pracht völlig neu gebaut wurde. Bis 1730 wurde ein formaler barocker Garten (mit Heilkräutern) angelegt und unter der Leitung des bedeutenden Architekten Franz Maxmilián Kaňka (wir erwähnten ihn u.a. bereits hier und hier) neue Klostergebäude errichtet. Eines dieser Gebäude, in dem sich heute eine Neurologische Klinik (an der Straßenseite der Kateřinská) befindet, ist noch als besonders schönes Beispiel für den Stil des Architekten erhalten und wird mit einer barocken Statue der namengebenden Heiligen Katharina von Alexandrien über dem Eingang geschmückt.

In den Jahren 1737 bis 1741 wurde dann die Kirche völlig neu gebaut, und zwar von dem bedeutenden Prager Barockarchitekten Kilian Ignaz Dientzenhofer, über den wir u.a. schon hier, hier und hier berichteten. Es handelt sich um einen einschiffigen Kirchenbau, der besonders durch seinen Turm auffällt, der im unteren Teil einen quadratischen Grundriss hat, aber oberhalb oktagonal wird (siehe großes Bild oben). Weil er eine entsprechend schlanke und aus der Ferne orientalisch anmutende Gestalt hat, wird er oft augenzwinkernd als Prager Minarett (Pražský minaret) bezeichnet. Und auf halber Höhe darf natürlich nicht die Heilige Katharina fehlen, die dort als Statue in einer barocken Nische steht (Bild links).

Nicht minder originell ist der Eingangsbereich, ein große konkav gebogener Portikus, der von drei halbkreisförmigen Bogenarkaden unterbrochen wird, und auf dem sich ein Balkon befindet. Kein Zweifel: Bei diesem Bau ist Dientzenhofer recht weit von jenen süddeutschen Barockkonventionen abgewichen, die sonst seine Bauwerke in Prag bestimmten. Es ist eines seiner unbekannteren, aber auch originelleren Werke.

Die Südfassade des rechteckigen Baus wird durch eine halbrunde Kapelle aufgelockert. Nun, das schöne Kloserleben hinter den Mauern endete 1783 abrupt. Im Zuge seiner aufklärerischen Kirchenreformen löste Kaiser Joseph II zahlreiche Klöster in Böhmen auf, darunter auch dieses. Im Jahr darauf wurde hier erst ein Armenhaus eingerichtet, dann im Jahre 1822 eine Anstalt für Geisteskranke. Die beherbergte in der Folge recht prominente Insassen. So starb hier 1874 der junge Komponist Vilém Blodek (der die heute nur noch selten gespielte, aber sehr hübsche Oper Studni – Der Brunnen – schuf) nach vier Jahren in der Anstalt im Alter von 39 Jahren. Und der große Nationalkomponist Bedřich Smetana, dem wir u.a. Die Moldau verdanken, endete hier 1884 in geistiger Umnachtung.

Und 1911 wurde hier kein Geringerer als Jaroslav Hašek der Autor der berühmten Osudy dobrého vojáka Švejka za světové války (Die Erlebnisse des guten Soldaten Schwejk im Weltkrieg) eingeliefert. Passanten hatten ihn festgehalten, als er sich anscheinend über die Geländermauer der Karlsbrücke in die Tiefe stürzen wollte. Die verschiedenen Biographen sind sich nicht einig, ob das (a) ein echter Selbstmordversuch war, ob er (b) aus Verzweiflung über das Scheitern seiner Ehe mit Ehefrau Jarmila einen Selbstordversuch simulieren wollte, was später die berúhmte Simulantenszene im Švejk-Roman inspiriert haben soll, oder ob er (c) sich wieder einmal so mit seinen Kumpanen betrunken hatte, dass er sich nur ungeschickt über die Brückenmauer übergeben wollte. Das scheint immer noch eine rege diskutierte Frage zu sein. Auf jeden Fall wurde Hašek schon nach wenigen Tagen wieder entlassen.

Und wie ging es weiter? 1844 wurde der große Komplex des Instituts für Geisteskranke (die heute Psychatrische Klinik heißt) im klassizistischen Stil neu gebaut, die den Garten zur Südseite (Straße Apolinářská) abschließt (Bild links). Die alten barocken Gebäude an der Kateřinská wurden 1847/48 teilweise klassizistisch modernisiert. Die neuen Gebäude fügten sich dabei harmonisch in die verbleibende barocke Architektur ein.

Ebenfalls in dieser Zeit wurde der Garten radikal umgestaltet. Der formale barocke Garten wich einem klassischen Englischen Landschaftsgarten. Der inzwischen alte und beeindruckend gewachsen Baubestand auf dem 2,95 Hektar großen Park ist sehr artenreich – Eiben, Eichen, Rosskastanien, Gingkos, Silberahorne, Linden und andere Baumarten sorgen dafür, dass sich hier gerade für den Sommer eine schattige Ruheoase gebildet hat. Alles ist schön gepflegt. Den Patienten von Psychatrie und Neurologie (beides Abteilungen des großen Allgemeinen Universitätskrankenhauses am Karlsplatz), werden den Blick auf diesen Garten ebenso beruhigend und ansprechend finden, wie die Kenner unter den Pragbesuchern, die ihren Weg hierhin finden. (DD)
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