Von der Pestkirche zum Kulturzentrum

Als sie hier erbaut wurde, stand sie weitab von Prags Innenstadt. Dort, wo sich heute der dicht bewohnte Stadtteil Žižkov befindet, gab es weites offenes Land mit nur wenigen Dörfern. Und es gab einen Grund, sie fernab vom Treiben der Stadt halten, denn die Kirche der Heiligkreuzerhöhung (kostel Povýšení sv. Kříže) war die Kapelle eines Pestfriedhofs.

Heute steht sie inmitten von großen Wohnblöcken in der Čajkovského 2422/12 auf einem kleinen, etwas eingepferchten Stück Grünfläche – fast so etwas wie eine Ruheoase in der Großstadt. Als sie auf Betreiben des 1716 in den Adelsstand erhobenen Bürgermeisters der Prager NeustadtJohann Franz Krusius von Krausenberg, in den Jahren 1717 bis 1719 durch einen heute nicht mehr bekannten Architekten im Stil des Hochbarocks erbaut wurde, war gerade die große Pestseuche von 1713 bis 1716, die rund 20.000 Bewohnern Prag das Leben kostete (zur Erinnerung: Die Gesamtbevölkerung der Stadt betrug Ende des 18. Jahrhunderts rund 75.000), vorbeigegangen – wir berichteten u.a. hier. Die Pesttoten sollten wenigstens in einem halbwegs würdigen Umfeld ihr Massengrab auf einem Friedhof finden, denn die kleinen Kirchhöfe im Stadtgebiet hatten gar nicht das Fassungsvermögen.

Das war nicht das letzte Mal, dass Schreckensereignisse hier Massenbegräbnisse notwendig machten. Im Laufe der Belagerung und Besetzung Prags während des Österreichischen Erbfolgekriegs in den Jahren 1741 und 1742 wurden hier noch einmal 6000 bis 7000 gefallene französische Soldaten in Schachtgräbern beerdigt. Bei Bauarbeiten in der Umgebung der Kirche im Jahre 1957 fand man noch unzählige Skelettreste auf dem Gelände. Verwaltet wurde die Kirche in ihrer Zeit als Pestkirche von der Pfarre der Kirche des Hl. Heinrich und der Hl. Kunigunde (Kostel sv. Jindřicha a sv. Kunhuty) in der Neustadt (wir berichteten über sie hier).

Nach dem Krieg von 1742 gab es wenigstens keine Massenbegräbnisse mehr. Der Angriff der Preußen auf Prag im Siebenjährigen Krieg im Jahre 1757 richtete nur kleinere Schäden an. Inzwischen wuchs Žižkov immer mehr und man benötigte eine eigene Pfarrkirche. 1784 wurde die Begräbniskapelle zur eigenständigen Gemeindekirche umgewandelt. Der Friedhof wurde fortan nicht mehr für Begräbnisse genutzt, nicht zuletzt, weil Kaiser Joseph II. in den frühen 1780ern dekretiert hatte, dass die städtischen Kirchhöfe stillgelegt werden sollten – ein Beitrag zur städtischen Hygiene.

Bis 1842 diente die Kirche nun als Gemeindekirche, dann wurde die Gemeinde umstrukturiert und ihre Pfarrkirche zur nahe gelegenen St. Rochus Kirche (wir berichteten darüber hier) verlegt, die übrigens ursprünglich auch als Pestseuchen-Kapelle inmitten eines Pest-Friedhofs entstanden war (nach der Pest von 1680). Die Kirche der Heiligkreuzerhöhung stand nun leer und wurde irgendwann in ein Lagergebäude umgewandelt. Das Interieur wurde in andere Kirchen geschafft, die Stuckausschmückungen verschwanden im Laufe der zweckentfremdeten Nutzung. So ist heute nur noch das Äußere als im originalen Barockstil erkennbar.

Ab 1887 gab es erste Initiativen, das Gebäude zu sanieren, die aber an Geldmangel scheiterten. Erst 1961 wurden durch die Stadtverwaltung konkrete Aufträge für eine Renovierung und Neugestaltung an die Architekten Jaroslav Koreček und Ivo Bílý vergeben. Mit der Realisierung der Pläne begann man dann 1977. Allerdings sollte das Gebäude nicht mehr kirchlichen Zwecken dienen, sondern zu einem Kulturzentrum umgebaut werden. 1984 war man damit fertig und nun diente das Kirchengebäude als Konzertraum oder Saal für wechselnde Ausstellungen. Zudem hatte man einen neuen funktionalistischen Anbau mit kulturell nutzbaren Räumen und einem kleinen Café angebaut. Atrium heißt das Kulturzentrum nun, das von einem gemeinnützigen Verein namens Za Troku (Für Drei) engagiert betreut wird, der von der Stadtregierung Prag 3 ins Lben gerufen und größtenteils finanziert wird. Als gepflegte Kulturstätte wird sie von den Bewohnern der Umgebung (und darüber hinaus) gerne angenommen. Auf dem Dach des Anbaus kann man übrigens eine Kopie eines der skurrilen Babies (miminka) des exzentrischen Bildhauers David Černý (wir berichteten über ihn unter anderem hierhier, und hier) bewundern, die seit dem Jahr 2000 den nahen Fernsehturm Žižkov (Žižkovská televizní věž) schmücken und zu den Wahrzeichen des Stadtteils gehören. (DD

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