Wenig frequentiert, aber ästhetisch ansprechend

Die Metrostation Radlická wurde am 26. Oktober 1988 eröffnet. Sie liegt an der Metrolinie B (gelb) im Südwesten Prags. Die von der Architektin Hana Labounková entworfene Station (Baubeginn 1984) hat etliche Besonderheiten aufzuweisen.

Da ist zunächst einmal der Name. Sie gehört nämlich zu den wenigen vor 1989 gebauten Metrostationen, die imer noch ihren ursprünglichen Namen tragen. Viele andere Stationen insbesondere im südlichen Verlauf der Linie B trugen nämlich zuerst nicht den lokalen Ortsnamen, sondern waren dem sozialistischen Brudervolk (wie die Station Anděl, die ursprünglich „Moskva – Praha“ hieß) oder kommunistischen Parteigranden (etwa bei der Metrostation Roztyly, die zunächst nach dem stalinistischen Bürgermeister Václav Vacek benannt war) gewidmet. Das war bei der Radlická nicht der Fall. Rein geographisch nach dem sie umgebenden kleinen Ortsteil Radlice (in Prag 5) benannt, blieb den Nutzern das Erlernen eines neuen Namens nach der Samtenen Revolution erspart. Radlická blieb Radlická – bis heute.

Vielleicht hatten die kommunistischen Machthaber in ihrer historischen Endphase die Station nicht mehr als wichtig genug empfunden, um sie als ideologische Bannerträgerin zu nutzen. Sie ist nämlich die am wenigsten frequentierteste Station im Prager Metro-System. In der morgentlichen Rush Hour steigen im Durchschnitt nur rund 2400 Menschen hier ein und aus. Der Grund ist wohl, dass es in der Umgebung es recht wenig große Wohnzentren und -blöcke gibt. Sieht man die Station von außen, würde man das alles kaum glauben. Denn die Anlage und der Vorplatz sind außergewöhnlich großzügig gestaltet. Der Eingangsbereich wurde an einen Hang gebaut und der Vorplatz liegt etwas vertieft, so dass fast der Eindruck eines großen rechteckigen Amphitheaters ensteht. Betritt man dann drinnen die Lobby, stellt man fest, dass sie relativ klein ist. Es gibt auch nur eine Lobby, während es bei anderen Stationen zwei (d.h. eine an jedem Ende) gibt.

Womit wir bei den Maßen der Station Radlická sind. Es fängt schon damit an, dass sie eine vergleichsweise geringe Tiefe hat. Lediglich 11,5 Meter geht es zum Bahnsteig hinunter. Die Metrostation Vinohrady mit ihrer rekordverdächtigen Rolltreppe liegt zum Beispiel ganze 53 Meter tief unter der Erde, also beinahe das fünffache! Deshalb wurde sie sich nicht wie ein unterirdischer Tunnel gebaut, sondern im „Tagebau“ ausgegraben. Eine Rolltreppe gibt es auch nicht, aber immerhin einen Lift. Die Gesamtlänge der Station beträgt 251 Meter, wovon etwas über 100 Meter den 10,16 Meter breiten Bahnsteig ausmachen, der Rest wird für verschiedene technische Einrichtungen verwendet. Der Bau wurde von der 1971 gegründeten, damals staatlichen (aber seit 1992 privatisierten) Bau- und Infrastrukturfirma Metroprojekt durchgeführt.

Und dann ist da noch die ästhetische Dimension, die man bei manchen Stationen in der Phase zu Ende des Kommunismus mal gerne beiseite ließ, was aber hier nicht der Fall war. Die ungewöhnliche Hügellage inspirierte wohl zu einer ihr angepassten Gestaltung. Die Station setzt sich durchaus von anderen der Zeit ab.

Außen handelt es sich ein Werk des sozialistischen Brutalismus. Besonders die großen Treppen zeugen von dem stil-typischen Formwillen in rohem Beton. Zusätzlich wurden farblich kontrastierende Keramik-Kacheln angebracht, die ein wenig auf den ersten Blick wie Ziegel wirken. Das nimmt dem ganzen ein wenig die Wuchtigkeit und lässt es weniger brutalistisch erscheinen als es (technisch gesehen) ist.

Auf dem Vorplatz findet sich eine stilistisch einwandfrei dazu passende abstrakte Skulptur in Granit und Bronze. Der Name der Skulptur lautet Beziehung von Technik und Natur (Plastika Vztah přírody a techniky) darstellen, wobei eine Art Zwiebel aus Bronze den Aspekt der Natur symbolisiert, während die sie umrahmenden kantigen Granitblöcke die Technik repräsentieren. Die Natur scheint sich dabei von den Fesseln der Technik zu befreien. Die Plastik ist das Werk des vielseitige Malers und Bildhauers Zdeněk Hošek, der nicht nur abstrakte Sujets beherrschte, sondern auch realistische Statuen anfertigte, wie etwa sein Denkmal des berühmten Komponisten Antonín Dvořák (1982) in dessen Geburtsort Nelahozeves – sein vermutlich bekanntestes Werk.

Drumherum befinden sich halbkreisförmig angeordnete Sitzbänke. Wer bei gutem Wetter sich hier hinsetzt, bekommt wegen der Lage in einer Senke und der leichten Begrünung oberhalb wenig von der etwas einfaltslosen Architektur der Umgebung mit, sondern könnte meinen, man befinde sich in einer bebauten Insel im der Natur. Was nicht ganz falsch ist, den von hier aus kann man, sobald man die unmittelbare Umgebung verlassen hat, tatsächlich schöne Wanderungen durch die bergige Landschaft machen (um etwa das hier zu sehen). Es handelt sich um einen touristischen Geheimtipp.

Gehen wir hinein. Auffallend ist die meist in Türkistönen gehaltene Verkachelung, wobei die Kacheln stark glänzen. Das lässt zum Beispiel die sehr kleine Lobby etwas größer und luftiger aussehen. Wie überhaupt in der Station Radlická gerne mit Lichteffekten gearbeitet wurde. Ästhetisch verstärkt wird der Effekt durch ein dreifarbiges Kachel-Mosaik (Bild rechts), das über dem Treppenaufgang installiert ist. Gestaltet wurde dieses Mosaik von dem Designer und Bildhauer Alexius Appl, der schon an der skulpturalen Gestaltung der ebenfalls zur Linier B gehörenden Metrostation Palmovka (1987) mitgewirkt hat. Farblich ist das Mosaik mit der Bekachelung der Lobby abgestimmt. Sicher, man darf hier keine künstlerische Sensation erwarten, aber insgesamt ist die Station recht ansprechend gestaltet. Das gilt auch für den Bahnsteig unterhalb. Dort reflektiert sich eine geschickte gelbfarbene Beleuchtung – man sieht sie im großen Bild oben – in den ebenfalls türkisen Kacheln. Die zwischen den Leuchtkörpern befindlichen Lamellen bieten einen optsichen Kontrats dazu. Sie sind allerdings nicht nur ein passend gestalteter Teil der künstlerischen Gestaltung, sondern dient auf in ausgeklügelter Weise der Lärmreduzierung.

Ach ja, seit Beginn des Jahrtausends wurden in der Umgebung zahlreiche Bürogebäude gebaut, darunter die regionale Filiale der Bank ČSOB im Jahr 2006. Seit 2008 ist die Station auch an die Linien 7 und 21 der Prager Straßenbahn angeschlossen. Es tut sich etwas. Vielleicht wird sie irgendwann ihren Status als am wenigsten frequentierte Metrostation hinter sich lassen. (DD)

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