Zwei Kannen – nebeneinander

Einmal in Gold und einmal in Silber. Die Hausschilder des Hauses zur Goldenen Kanne (dům U Zlaté konvice) in der Melantrichova 477/20 und des Hauses zur Silbernen Kanne (dům U Stříbrné konvice) direkt daneben in der Melantrichova 476/18 scheinen Rätsel aufzugeben. Warum zweimal nebeneinander das gleiche Motiv; warum einmal in Gold und einmal in Silber?

Das Haus mit der silbernen Kanne als Hausschild wirkt jedenfalls auf den ersten Blick älter als das mit der goldenen. Der Kern und Ursprungsbau war zwar ursprünglisch hochgotisch (um 1400), aber die zur engen Melantrichova (eine der beliebtesten Touristenpromenaden der Altstadt) hingewandte Fassade ist eindeutig im Stil des Barock gehalten. Im frühen 18. Jahrhundert wurde das ursprünglich einstöckige Haus (was es auf der Rückseite hin zur Straße Kožná immer noch ist) in ein zweistöckiges umgebaut, wobei die Fassade eben völlig erneuert wurde. Dafür dürfte Jakub Minetti, der reiche Abkömmling einer Mailänder Händlerfamilie, die es in Prag zum Adelsstand brachte, verantwortlich gewesen sein, der das Haus Ende des 17. Jahrhunderts erworben hatte. Zuvor hatte er schon das in der unmitelbaren Nähe Prachthaus Na Kamenci an der Ecke Altstädter Ring (Nr.478/26) erworben, womit er zuden großen Immobilienbesitzern der Gegend gehörte (wir berichteten hier). Das Hausschild mit der Kanne ist auch von einer spätbarocken Kartusche im Rokokostil umgeben, die ausgesprochen fein mit Rocaillen elaboriert ist.

Das ebenfalls zweistöckige, aber etwas breitere Haus mit der Goldkanne ist auch im Mittelalter entstanden und wurde in der Renaissance um 1553 und um 1700 im Barockstil erheblich umgestaltet. Sein heutiges Aussehen, das deshalb etwas moderner wirkt als das „silberne“ Nachbarhaus, verdankt es aber einem Umbau Ende des 18. Jahrhundert, den der Architekt Zachariáš Fiegert (den wir bereits hier erwähnten) im klassizistischen Stil durchführte. Das Hausschild über dem breiten Eingangsportal ist daher auch nicht von solch einer fein ausgearbeiteten Kartusche umrahmt und strenger klassizistisch gehalten. Das oberste Stockwerk wurde übrigens erst im späten 19. Jahrhundert ergänzt, aber stilistisch so feinfühlig, dass man es nicht bemerkt.

Auf der Höhe des ersten Stocks befindet sich eine Gedenktafel mit Portraitrelief für Josef Král. Der war ein Philologe und Bibliothekswissenschaftler, der zu seiner Zeit besonders als tschechischer Übersetzer der Autoren der Antike bekannt und beliebt war, deren Werke er geschickt unter Berücksichtigung des alten Versmaßes in seine Muttersprache übertrug – was ich mir bei meinem mageren Wissen um das Tschechische als recht schwierig vorstelle. Der Text auf der Tafel lautet: „Der klassische Philologe Josef Král wurde am 18. Dezember 1853 in diesem Haus geboren. Gestiftet von der Union der tschechischen Philologen.“ Gestaltet wurde die Tafel 1937 von dem akademischen Bildhauer Josef Drahoňovský.

Was aber die Frage, warum hier zwei Häuser nebeneinander in verschiedenen Zeiten die Kanne als Hausschild bekamen, wenngleich in verschiedenen Farben. Hausschilder waren in Zeiten, als es noch keine regulären Hausnummern gab, so etwas wie das Identifizierungsmerkmal von Häusern. Aber nicht nur: Oft wiesen sie auch auch das Handwerk hin, das im Hause betrieben wurde (ein Beispiel zeigten wir hier). Gab es es hier benachbarte Kannenverkäufer oder Kannengießer? Im 18./19. Jahrhundert war die kleine Straße Melantrichova, wo die Häuser liegen, und die direkt zum Altstädter Ring (Staroměstské náměstí) führt, als die Schwefelgasse (Sirková) bekannt, weil hier die Schwefelhändler ihren Sitz hatten. Das hat wenig mit den Kannen zu tun. Die Sache bleibt also im Dunklen. Für Hinweise bin ich dankbar. (DD)

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