Häuserensemble im späten Jugendstil

Der gleiche Stil, der selbe Architekt: Was da in Vinohrady (Prag 2) schön über dem Bezručovy sady (Bezruč Garten) thront, ist zwar kein eigentliches Doppelhaus, aber doch ein aus zwei vierstöckigen Wohnhäusern gestaltetes stimmiges Ensemble.

Die beiden Häuser in der Slovenská 1694/23 (auf dem Bild links das linke Haus) und Slovenská 1697/25 (rechts davon) wurden tatsächlich gleichzeitig in den Jahren 1913/14 nach den Plänen des bekannten Architekten Josef Veselý erbaut, Der hinterließ in Vinohrady viele recht bemerkenswerte Gebäude, allen voran das große Theater von Vinohrady (Divadlo na Vinohradech), das in den Jahren 1905 bis 1907 (wir berichteten hier) entstand. Haus 1694/23 ist ein dreiflügeliges Gebäude mit durchgehenden Balkonen über dem Erdgeschoss und dem zweiten Stock.

Wir haben es mit einem typischen Beispiel des späten (geometrischen) Prager Jugendstils zu tun. Der beeindruckendste und auch künstlerisch wertvollste Teil des Gebäudes sind die beiden Karyatiden (tragende Säulen in der Form einer weiblichen Gestalt), die das Eingangsportal umrahmen (siehe großes Bild oben). Die verdanken wir – wie die übrige Fassadengestaltung – dem Bildhauer Antonín Waigant. Die Karytiden sind das einzige figurale Element auf der Fassade, wodurch sie noch mehr auffallen. Ansonsten dominieren, wie es im geometrischen Spätjugendstil generell der Fall ist, zurückhaltene florale oder abstrakte dekorative Formelemente (siehe Bild rechts). Fassade ist dabei symmetrisch strukturiert.

Das gilt auch für Haus 1697/25. Aber hier gibt es keinen so dominierenden Giebel wie bei 1684/23. Dafür befinden sich hier die einzigen figuralen Elemente (wieder zwei weibliche Akte) des Hauses (Bild links). Der Eingang ist hingegen eher unscheinbar und von zwei einfachen ägyptisierenden Säulen umrahmt (Bild unterhalb rechts). Das gemeinsame Fassadenelement, die durchgängigen beiden Balkone, sind aber höhenmäßig versetzt, was die Gesamtansicht der beiden Häuser als Ensemble optisch sehr viel lebhafter aussehen lässt.

An Haus 1697/25 gab es schon 1914 – also kurz vor Fertigstellung – noch einige Veränderungen am Neubau vorgenommen, für die als Architekt Jan (Josef) Rokos (wir erwähnten ihn bereits hier) verantwortlich war, was aber zumindest nach außen so feinfühlig geschah, dass der Grundcharakter des Ensembles erhalten blieb. Umbauten im Inneren gab es zum Beispiel 1932. Nach dem Ende des Kommiunismus wurden beide Häuser gründlich saniert.

Heute dienen beide Häuser hauptsächlich als Wohn- und Mietshäuser bzw. als Standort kleinerer Büros von Unternehmen und einem Schönheitssalon in Haus 1697/25.

In jüngerer Zeit hat der Architekturhistoriker und Denkmalschützer Rotislav Švácha die These aufgestellt, für die Entwürfe der beiden Häuser könnte auch der Architekt Emil Králíček, der schon u.a. hierhierhierhier und hier Gegenstand dieses Blogs war, veranwortlich sei. Der hat tatsächlich bis 1912 sehr ähnliche Häuser entworfen. Allerdings baute er ab 1913 vornehmlich im Stil des Kubismus, der den Jugendstil überwand, und zu dessen Pionieren Králíček gehörte. So ganz wahrscheinlich scheint also diese Hypothese zur Autorenschaft in diesem Falle nicht zu sein, für die jeder direkte Beleg zu fehlen scheint. Aber schließlich zählt am Ende das Werk selbst und nicht so sehr der Schöpfer – und das gehört zu den imposanten Ensembles des Spätjugendstils in Prag. (DD)

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