Gerechter Friede durch Waffenlieferungen?

Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Grüne), Vizepräsidentin des Bundestags, war am Montag zu Gast in der Deutschen Botschaft in Prag. Sie referierte über das Thema „Gerechter Friede“ und wie dieser in der heutigen Zeit erreicht werden kann. Zudem diskutierte sie mit Tomáš Holub, Bischof von Pilsen (Plzeň), über „Pazifismus und Kirchen“.

Die Veranstaltung wurde von der Deutschen Botschaft Prag in Verbindung mit der Deutschsprachigen Evangelischen Gemeinde und der Deutschsprachigen Katholischen Pfarrei in Prag organisiert. Das übergeordnete Thema der Veranstaltung war der Krieg in der Ukraine. Zum ersten Mal seit langer Zeit sei Frieden auch in der Mitte Europas wieder ein Thema, so Botschafter Andreas Künne.

Wunsch nach gerechtem Frieden

Auch Göring-Eckardt stellte zu Beginn ihres Vortrags fest, dass Europa nicht mehr der sichere Ort sei, für den man ihn lange gehalten habe. Man wünsche sich nichts sehnlicher als den Frieden – den gerechten Frieden. „Frieden ist für mich nicht einfach die Abwesenheit von Gewalt oder das Schweigen der Waffe“, so Göring-Eckardt. In der Bibel werde der Begriff des Friedens ergänzt durch Güte, Treue und Gerechtigkeit. Auf dem Konziliaren Prozess 1988 wurde beschlossen: Friede ohne die Achtung und den Schutz der Menschenrechte ist kein vollständiger Frieden. Man müsse handeln und sich einmischen, denn nur so können die Menschenrechte gewahrt werden und ein echter Frieden entstehen.

Göring-Eckardt erinnerte zurück an die Annexion der Halbinsel Krim durch Russland im Jahr 2014: Damals habe Deutschland weggeschaut und Putin damit das Signal geschickt, dass seine Taten keine Konsequenzen haben und er seinen imperialistischen Plan fortsetzen könne. Deutschland habe ihn mit dem Bau der Gaspipeline Nord Stream II sogar belohnt und sich gleichzeitig von Russland abhängig gemacht.

Aus diesem Grund sehe die Grünen-Politikerin heute eine umso größere Verantwortung Deutschlands der Ukraine gegenüber, ihr zu helfen. Dabei ging sie auf das biblische Gleichnis des barmherzigen Samariters ein, der einen Verletzten versorgte, nachdem dieser von einem Priester und einem Leviten ignoriert wurde: „Für mich als Christin ist es keine Option, vorüberzugehen und die Menschen ihrem Schicksal zu überlassen. Das Gebot der Sorge und Mitverantwortung für die Nächsten verpflichtet uns dazu, der Ukraine zu helfen, wenn Menschen von Russland ermordet, gefoltert, erniedrigt, vertrieben werden.“ Diese Hilfe komme in Form von Waffenlieferungen, finanzieller und logistischer Unterstützung beim Wiederaufbau, aber auch ideeller Unterstützung im Streben nach Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Recht auf Selbstverteidigung

Zudem sprach Göring-Eckardt der Ukraine das Recht zu, sich selbst zu verteidigen: Einen Waffenstillstand oder den Verzicht auf Waffenlieferungen, den viele Stimmen zurzeit fordern, sehe sie als kontraproduktiv und würde die Situation in der Ukraine nur verschlimmern. Stattdessen, so Göring-Eckardt, „müssen wir die Voraussetzungen schaffen, dass auf Augenhöhe geredet werden kann. Frieden kann es nicht geben, wenn ihn der Aggressor diktiert“. Waffengewalt ausgehend von der Ukraine ist aus ihrer Sicht derzeit notwendig, um solche Verhandlungen einzuleiten. Sie berief sich dabei auf eine abgewandelte Version des lateinischen Sprichwortes „Si vis pacem para bellum“, auf Deutsch „Wenn du den Frieden willst, bereite den Krieg vor“. Statt den Krieg solle man den Frieden vorbereiten.

Zustimmung der Kirche

Bischof Tomáš Holub von Pilsen (Plzeň) antwortete auf den Vortrag, dass er zwar eine andere Perspektive habe, aber zu demselben Schluss gekommen sei. Das lateinische Sprichwort wandelte er noch weiter um: „Wenn du den Frieden willst, bereite die Verteidigung vor.“ Den gerechten Frieden könne man auch aus seiner Sicht nicht ohne die Selbstverteidigung der Ukraine erreichen. In der Frage nach den Dimensionen der Verteidigung sehe er eine der derzeit größten Herausforderungen für Politiker und Ethiker.

Zum Thema „Pazifismus und Kirchen“ sagte Holub, dass Religion in Zeiten des Krieges immer mehr gefragt sei und für viele als Leuchtturm diene. Auch Göring-Eckardt ist dankbar, dass sie die Religion als Trost und Schutz habe. Sie sei allerdings erschrocken darüber, wie viele Mitglieder des Bundestags dem christlichen Glauben angehören, aber eine andere Meinung zum Umgang mit dem Krieg haben als sie.

Trotzdem sei sie der Meinung, dass die Politik den Politikern überlassen werden soll: Angehörige und Akteure der Kirche sollen zwar über Themen wie Krieg und Frieden reden und darüber, wie sie gesellschaftlich agieren würden – aber nicht so, als wüssten sie es besser als die Politiker. Auch Holub überlässt die Entscheidungen lieber der Politik. Die Aufgaben der Kirche seien momentan „Beten, schweigen und still beraten“, so der Bischof.

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